Samstag, 02.03.24
Die Familie bringt mich nach Düsseldorf. Und bevor ich abfliege, gilt Christiane mein besonderer Respekt und Dank, dass sie mich für diese Zeit gehen lasst und bereit ist, diese Trennungszeit hinzunehmen. Muchas gracias! Chapeau!
Von meinen Abschiedsgefühlen rede ich jetzt nicht.
Meine Sorgen, ob das Kreuz als Sperrgut angenommen wird, lösen sich in Luft auf. Der Kommentar des Mitarbeiters am Sperrgutschalter: “Ist das für ne Kirche?” - Ja! - “So was haben wir auch nur ein Mal in 100 Jahren!”. Und dann verschwindet das Kreuz auf dem Gepäckband Richtung Flieger. Auf Wiedersehen in Lima.


Mittwoch, 3.3.24
Mit zwei Koffern, 1 Rucksack, 1 Handgepäck und einem Kreuz komme ich heil und nicht unbedingt ausgeschlafen in Lima an. Das Kreuz schippert unbekümmert auf dem Gepäckband herum neben den anderen Koffern, die auf ihre Empfänger warten. Der Zoll will es noch einmal durchleuchten, aber dann stehe ich ohne weiterte Kontrolle vor dem Flughafen und werde von Norbert mit einem herzlichen ”Bienvenidos” empfangen. Und die Kosten für das Sondergepäck “Kreuz” - wurden nicht verlangt. Vielleicht war es den Beamten so skurril, dass sie über die Gebühren hinwegsahen…
Zuerst fahren wir zur Wohnung von Norbert.


Was wir uns alles in Lima anschauen, welche Eindrücke hängen bleiben, kommt später. Hier ein Foto vom Ausflug nach Barranco mit Blick auf den Strand. Unten ein Blick aus dem Auto auf einen der bekannten Hügel von Lima, San Christobal.
Dienstag werden wir mit dem Bus (und allem Gepäck) nach Nazca weiterfahren.

Lima -
Norbert holt mich vom Flughafen ab in seine Wohnung im Stadtteil San Juan de Lurigancho. Eine freundliche farbenfrohe Wohnung, in der Michelangelo wohnt, ein junger, echt freundlicher Mechatroniker, der die Wohnung „hütet“. Im Erdgeschoß laufen wir durch ein Kleiderlager, Maribelle verkauft übers Internet gebrauchte Kleidung, die sie sich in bunt zusammengewürfelten Paketen zukommen läßt. Eine Geschäftdsidee, die in Coronazeiten entstanden ist und von der sie jetzt immer noch leben kann. Außerdem ist der Raum im Erdgeschoß Stützpunkt für Gruppen, die aus dem Gefängnis entlassen wurden, (in dem Norbert gearbeitet hat) und die sich dort zu Treffen versammeln können.

Peru - ein selbstbewusstes Land. Jedes Nummernschild trägt die Aufschrift “Peru”, nur dass das klar ist. Mit dem Fahnenemblem daneben.
Bevor wir unsere Limaerkundung starten, erleben wir ein leichtes Erdbeben. Das Haus ruckelt, als würde ein Zug durch den Garten fahren. Eine halbe Minute kann lang werden. Die Hunde auf der Straße bellen nervös, die Menschen verlassen ihr Haus und wir stellen uns unter den Türsturz - zur Sicherheit. Dann ist der Spuk wieder vorbei.
Norbert zeigt mir den Markt um die Ecke mit peruanischen Früchten, verschiedensten Kartoffelsorten und Gemüse. Nicht zu verachten die Hühnerkrallen und aufgehängten gerupften nackten Hühner, die bevorzugte Fleischspeise der Peruaner. Aber auch Kutteln, Rindermägen, peinlich gereinigt, oder Rinderzunge scheinen hier eine Delikatesse zu sein. (Meerschweinchen habe ich nicht gesehen. Und hier direkt die Info an Dirk: es gibt kein Meerschweinchenfleisch in der Dose!). Schwarzer Mais, plátanos - kleine Bananen und Früchte, deren Namen ich noch nicht behalten habe, aber die wunderbar erfrischend sind.


Norbert wußte auch noch Rinderzunge und Rinderherz (s.vorn) zu empfehlen. Eine Delikatesse!

Beim ersten Essen (in einem Strandrestaurant in Miraflores) trinken wir den typischen „Pisco sour“, das Nationalgetränk in Peru (eine ausgesuchte Obstlermischung mit Eiweiß und Limettensaft gemischt) sowie das typische „Ceviche“ (s.u.), eine Mischung von rohem Fisch in Limettensud. Beides genießen wir zusammen mit Michelangelo. Meerschweinchen war bei den ersten Mahlzeiten nicht dabei.



Was soll ich über unsere zwei Tage in LIMA berichten? ( übliche Fotos von den Gebäuden und Plätzen dieser über10 Mio - Stadt gibt es reichlich bei Instagram)
Mich fasziniert der Verkehr! Nicht nur, dass manche Hauptverkehrsstrassen unansphaltierte Buckelpisten sind, die den Stoßdämpfern keine lange Lebenszeit geben. Vielmehr bewundere ich die sensible Fahrkunst aller Autofahrer. José, unser Taxifahrer von UBER, leitet uns durch den vierspurigen tráfico als hätte er 8 Augen und körperintegrierte Abstandshalter. Er schlängelt sich durch den Verkehr wie durch eine übervolle Fußgängerzone, ohne auch nur einmal einen anderen Verkehrsteilnehmer zu berühren. Ist das Vertrauen, Respekt oder achtsames Fahren?

Dann spazieren wir um den Präsidentenpalast herum. Der berühmte „Plaza de Armas“ ist abgesperrt, damit niemand gegen die Regierung dort protestieren kann. Polizisten achten mit ihren Trillerpfeifen darauf, dass niemand auch nur zu Fuß über diesen Platz geht. Die Angst der Regierenden vor dem Volk.
Schließlich landen wir mit Jose im Barrio der Musikgeschäfte. Hunderte kleine und größere Tiendas reihen sich aneinander. Ein undurchsichtiges System von Konkurrenz. Nach vier Geschäften entscheide ich mich für eine peruanische Chavarry-Gitarre mit einem schönen Sound und einem erschwinglichen Preis. Ich brauche mein eigenes Instrument in Peru. Norbert und ich planen schon den Einsatz in der Semana Santa und den Ostergottesdiensten in Oyolo mit unseren Gitarren. Das nächste Instrument dürfte eine Charango werden, das Nationalinstrument der Peruaner. Oder muss es eine Panflöte sein? Aber nicht alles am ersten Tag.

Morgen geht der touristische Teil in Lima zu Ende. Wir fahren nach Nazca in das Caritashaus und die Wirkstätte von Norbert. Dann hört der gefühlte Wochenendausflug auf, bei dem mich Norbert als mein Engel geführt hat. Ich denke, dann ist Sprechen, Spanischlernen und etwas mehr Alltag angesagt.
In Nasca
Secretario de Caritas Caraveli


Die Küche und das Zentrum des Hauses:

Die Statue der Virgen Maria hat Norbert gerettet und aufarbeiten lassen. Zu schade zum Verrotten und ein Angebot an viele PeruanerInnen, die sie lieben. Aber zwischen diesen Sesseln passt sie eigentlich ganz gut und vermittelt eine gediegene Gemütlichkeit. Ihren endgültigen Platz soll sie aber in einer Grotte außerhalb des Hauses bekommen.



Dienstag, 5.3.24
Norbert und ich kommen nach 8 Stunden und 450 km im “Luxusbus” in Nasca an. Luxusbus heißt: Kinoähnliche Polstersitze in einem Doppelstock-bus. Das ganze für umgerechnet 25 € p.P. + 25 € für unser vieles Gepäck.
In Nasca treffe ich auf das von Norbert im letzten Jahr erstellte Haus der Caritas der Prälatur (Diözese) Caraveli. Bevor Norbert im November nach Deutschland flog, wurde es gerade eingeweiht. Das Haus liegt noch(!) auf einem recht unzugänglichen Gebiet. Die Strommasten für die externe Stromzuleitung wurden gerade letzte Woche gelegt. Ansonsten ist das Haus mit Solaranlage und eigenem Brunnen ziemlich autark. Es soll den Treffen der Haupt- und Ehrenamtlichen dienen als Seminarhaus, Unterkunft, und Gelegenheit aufzutanken. Norberts Devise: Für jeden muss immer ein Kaffee und WC-Papier zur Verfügung stehen (Letzteres ist in peruanischen Unterkünften nicht selbstverständlich.) Norbert ist froh, endlich zuhause anzukommen (er war seit dem Rückflug im Februar noch nicht hier) und ich bin gespannt auf mein neues Zuhause, bzw. den Stützpunkt, von dem aus ich die Gemeinde und ihre Projekte kennenlerne.

Jesus, der 29 jährige Peruaner, mit dem ich heute morgen um 5:30 joggen war, sorgt für das Haus und ist quasi als “Concierge” eingestellt. Ich hoffe, bei ihm noch etwas mehr spanisch lernen zu können. Aber ich muss ihn ständig bitten, mas despacio (langsamer) und mas claro (deutlicher) zu sprechen…
Bei Norbert lerne ich Entschleunigung trotz aller Aufgaben, die sich ihm schon in den ersten Tagen gestellt haben.Heute z.b. ist endlich der Router fürs WLAN eingebaut worden. Und der Herd ist an den Strom angeschlossen, sodaß er heute mit meiner Pizza eingeweiht werden kann.
Norbert ist das Herz des Hauses und die Einladung in Person - und verbreitet eine immer freundliche Atmosphäre.
Der Blick aus dem Fenster meines Zimmers.
Und wer hat schon ein eigenes Bad in Peru !?
Und ich kann noch 3 Gäste aufnehmen, wenn das Haus voll ist !?



Zwei Terrassen geben den Blick auf die Berge, den Rio Ajá oder die Stadt Nasca frei. Übrigens ist es gerade 32 Grad. Da ist der Wind auf der Terrasse ein Geschenk des Himmels.


Das Kreuz soll in den nächsten Tagen auf der Spitze des Hauses angebracht werden. Nein, gerade kommt der Handwerker und wird halsbrecherisch irgendwie das Kreuz aufs Dach bringen…
Meine erste Pizza in Peru gelingt und macht dem neuen Ofen alle Ehre. Pizza macht Freu-n-de! (Als der Bischof (ohne Foto) am späten Abend eintrifft, hat er auch noch was davon…)

Um 21.00 trifft der Bischof Reinhold Nann, ein deutscher Mann aus Freiburg, ein. Mit Angela, einer quirligen Mittfünfzigerin mit langen grauen Haaren, als Psychologin in Sachen Missbrauch und Frauenfragen unterwegs, ist er auf dem Weg zu einem Wochenendtreffen zu diesem Thema in Lima. Sie nehmen von Nasca aus den Nachtbus um 22:45. Es bleibt Zeit für einen Austausch mit Reinhold - zufällig unter vier Augen - , wo ich ihn einiges fragen und mit ihm diskutieren kann: über die Missbrauchssituation in Peru, die Fälle in Ecuador, die Frömmigkeit der peruanischen Christen in seinen Bergdörfern, Bestattungsrituale und Formen der Trauer. (Für Insider: Reinhold zählt sich zu der deutschen Schönstattbewegung und trägt das Cruz de la unidad als sein Bischofskreuz um den Hals.) Ich denke, ich werde zu den Themen erzählen, wenn ich in den Dörfern bin und vor Ort dazu Erfahrungen mache.Eines musste ich aber noch loswerden: dass der spanische “Entdecker” und Inkamörder Pizarro sein Grab in der erzbischöflichen Kirche gefunden hat, kann ich ja aus der Sicht des 16.Jahrhunderts nachvollziehen. Aber warum sich Kirche heute nicht davon abgrenzt und ihn “raus schmeißt” , das wäre doch eine spannende Idee zur Akzeptanz der indigenen und der peruanischen Kultur… Alles nicht so einfach.
Ein interessanter Abend, der vielleicht Montag fortgeführt wird, wenn die beiden von Lima zurückkehren und bis Dienstag bei uns bleiben. Immerhin ist die Casa hier das Eigentum des Bischofs, der in einigen Jahren, 10 vielleicht, in diesem Haus als Jubilado= Rentner leben will. Willkommen im Club.

Freitag, 08.03.24
Heute bringen Handwerker das Kreuz aufs Dach. So geht Handwerk hier: sobald es überhaupt Aufträge gibt, werden die auch sofort erledigt. Denn dann gibt es Geld. Natürlich kennt Norbert seine Firmen, die für ihn zuverlässig arbeiten. Viele Handwerker sind aus Venezuela geflohen und suchen in Peru oder Chile Arbeit. So auch einer der Kreuz-Handwerker. Er macht das gut und hat eine gute Konstruktion entworfen. Norbert ist glücklich und auch ich freue mich, dass die Kreuzaktion von der Verpackung bis zum Transport und der Ankunft in Peru so ein schönes Ende gefunden hat. Jetzt strahlt das Kreuz am Tag durch die Sonne und Nachts leuchtet es angestrahlt über der Stadt Nasca!

2.Woche Peru - Segunda semana 10. - 18.03.2024
Der Übersicht halber habe ich die bisherigen Kommentare an dieser Stelle gelöscht (Sind noch in meiner Webseite). Habe mich sehr darüber gefreut und es tut mir gut, auf dem Weg mit euch “in Verbindung zu bleiben”.
Sonntag, 10.03.2024
Norbert ist am Sonntag nach Puerta Lomas zum Gottesdienst eingeladen worden. Der Ort Lomas ist ein Badeort direkt am Pazifik, gerne verbringen dort peruanische Familien ihr Wochenende. Wir fahren über die Panamericana ca 1,5 Stunden in den Ort. Der Weg geht durch Wüstengebiet, das sich durch sandige Gegenden auszeichnet, die aber durchaus von niedrigen Bergen durchzogen sind. Auf dem Weg zeigt mir Norbert Algenfarmen, in denen Meeresalgen getrocknet und für den Versand nach Japan vorbereitet werden (ohne Foto). Immer wieder fahren wir an Minenfirmen wobei, vornehmlich chinesische, die Kupfer, Gold oder andere Rohstoffe im Tagebau abbauen.Ein Windpark, von den Chilenen erbaut, liefert viel Energie im Süden Perus. (Foto) Alles in allem berührt mich diese kahle Landschaft, die trotzdem ihren Reiz hat mit den Hügeln , Canyons und Gesteinsfaltungen. Man ahnt, dass hier einmal Meeresgrund war und sich das Meer einige Kilometer weit ins Landesinnere gezogen hat.


Spannend ist die Politik der Grundstücksvergabe: wer in Peru mit einer Algarve oder vier Pfählen oder einer Hütte ein Grundstück gekennzeichnet hat und danach darauf 5 Jahre wohnt, kann dieses Grundstück als sein eigen betrachten. Voraussetzung ist natürlich, dass er in der Zeit nicht von diesem Grundstück verscheucht wurde oder die Behörden korruptiven Druck ausgeübt haben. Andererseits hat die Polizei auch nicht immer Lust, mit Gewalt jemanden zu vertreiben. Grund für diese Verordnung jedoch war es, ärmeren Bürgern die Möglichkeit zu geben, Eigentum aufzubauen.

Um 9:30 kommen wir in Lomas an. Zuerst gönnen wir uns an einem Straßenstand unser Frühstück mit einem leckeren Quinoagetränk und den mitgebrachten Tamales, einem warmen Maisteig mit einer Schinkenfüllung. Eine Mujer de lugar (Frau mit Inkawurzeln) aus den Bergen will etwas verkaufen. Da wir aber nichts kaufen, setzt sie sich an unseren Tisch und Norbert lädt sie zu einer Tamales und einem Quinoagetränk ein.


Mittags begegnen wir ihr noch einmal. Sie erzählt von ihrem Sohn der in Nasca lebt und ihrem Mann, der als Messerschleifer durch die Gegend zieht und nachher auch noch zu uns an den Tisch kommt.Sie spricht Quechua und nur schlecht spanisch, zeigt sich zurückhaltend und mag keine Fotos. Eines gelingt mir dann doch. Mich hat berührt, welche Ruhe und Konzentration sie mit ihrer kleinen Gestalt ausgestrahlt hat.
Aber eigentlich sind wir ja zum Gottesdienst hier. In der Kirche versammelt sich eine kleine Gruppe von Frauen und Männern. Die Frauen machen einen Ausflug an den Strand und wollen nach dem Gottesdienst zu Mateo, leckeren Fisch essen. Sie hatten gehört, dass Norbert den Gottesdienst hält und haben das gern mit ihrem Ausflug verbunden. Es ist ein lebendiger Gottesdienst durch die lebendigen Lieder, den lebendigen Norbert, die wachen TeilnehmerInnen. Norbert nimmt den Weltfrauentag zum Anlass und spricht darüber, dass Männer und Frauen in ihren Rollen verhaftet und manchmal gefesselt sind. Dabei sieht Gott den einzelnen und nicht die Rolle. Die TeilnehmerInnen reagieren auf Norbert, singen begeistert mit und als ich in meinem kurzen Beitrag zum Thema das rechte Wort nicht finde, helfen sie mir und rufen es mir zu. Eine Frau kommt nach dem Gottesdienst auf mich zu und singt mit mir das deutsche Lied: “Danke für diesen guten Morgen”, das sie offensichtlich bei ihren Ordensschwestern gelernt hat. Als ich eine Fürbitte für meine Frau und meine Familie einwerfe, beten alle fröhlich mit und klatschen. Nachher wollen sie unbedingt ein Foto mit dem riesigen Gringo.

Montag, 11.03.24
Eigentlich begann heute eine ganz ruhige Woche. In Nasca sollte ich eine Woche Zeit haben, meine Wäsche zu machen und u.a.mein Spanisch zu vertiefen: hatte heute mit “Susi”, einer Reiseführerin vor Ort , 2 Stunden Spanisch gemacht, (Grund - Katastrophe: ich sitze zeitweise wie ein Analphabet bei den Tischgesprächen. Und wenn ich einen schlechten Tag habe, verstehe ich selbst “buenos días” nicht. Dann tröstet mich Norbert und sagt, ich sei doch Jubilado-Rentner und solle mich über jedes Wort freuen, das ich verstehe…) Nachmittags den Einkauf für eine super leckere Hähnchen-Nudel-Möhren-Ingwer-Zucchini-Porree-usw.Gemüsesuppe gemacht, die Norbert am Abend serviert hat. Beim Abendessen mit Reinhold und Angela(s.o.) entwickelt sich ein Gespräch über deren Projekt in Puquio, das morgen beginnt. Angela hat ein feministisches Frauenprojekt gestartet mit einigen Lehrer*innen in Puquio. Ist aber überzeugt, dass man nicht nur die Rolle der Frauen überdenken sollte, sondern auch die der Männer. So sind morgen bis Freitag auch einige Männer eingeladen, mit denen sie über ein verändertes Machismo-Männerbild arbeiten will. Da wäre ein Mann aus Deutschland, der Männerarbeit kennt, ein gutes Beispiel. Peru heißt: katholisch spontan (Zitat Norbert). So nehme ich die Einladung von Reinhold und Angela an, morgen bis Samstag mitzufahren nach Puquio, über den 4390 m - Pass auf die 3214m Höhe von Puquio. Dauer: ca. 3 Std.. Samstag Mittag sind wir wieder in Nasca zurück. (Dann ist mit Norbert eine 14 tägige Reise durch seine Gemeinden bis zur semana santa in Oyolo geplant. ) Ich bin von mir selbst überrascht. Denn die Hitze und das fehlende Sprachenwunder setzen mir schon gehörig zu. Aber das abendliche Gespräch und die Einladung reizen mich, die peruanische Spontaneität mitzumachen. Da ich nicht weiß, welche Unterkünfte mich erwarten (ob mit oder ohne Internet) sage ich Adiós bis Samstag!

Abschied von Nasca und von Norbert, für den der kleine Buddha immer mehr zum Markenzeichen wird. Mit nach Puquio fahren: Reinhold der Bischof, Angela, die Psychologin und ich.

Dienstag, 12.3. - Samstag, 16.3.24 in Puquio
Es gibt einen einzigen Ort im Pfarrhaus, in dem wir untergebracht sind, an dem ich gutes WLAN habe. Daher kann ich heute schon von hier aus schreiben.
Puquio Teil 1:
eine Stadt auf 3300 m.

Auf dem Weg hierher sind wir durch kahle Berge gefahren bis ab 3000 m plötzlich Grün und Bäume auftauchten, so wie hier in Puquio. Puquio heißt “Quelle” und das ist der Grund für das Grün in dieser Höhe. Wo in den Alpen mit der Baumgrenze die Bäume aufhören, fangen sie hier an, weil in dieser Höhe Quellwasser und Regenwasser zur Verfügung steht. Daher haben wir in Puquio auch den ersten Regen abbekommen. Trotzdem fiel heute morgen im ganzen Haus die Wasserversorgung aus. Der Wassertank ist leer und die Zuleitungen werden nicht regelmäßig gewartet, sodass es immer wieder zu Ausfällen kommt. Hier ein paar Augen-Blicke auf das 10000 Einwohner Städtchen:

Obwohl Puquio auf einer Ebene liegt, führen die Straßen bergauf und bergab. Die indigenen Einwohner prägen das Stadtbild.


Ebenso prägend sind die Mototaxis, die wie Ameisen durch die Straßen rasen, wendig und flink und überall.


Beim “klerikalen” Frühstück mit Bischof Reinhold, Padre Tomaseño und Padre Lorenzo (bei dem iPhone und Apple Watch auffallen). Mir kommen bei den Tischgesprächen die spanischen Worte wieder aus den Ohren raus, wenn mein Kopf sie nicht mehr aufnehmen kann. Aber ich versteh von Tag zu Tag un poco mas.
Das Pfarrhaus bietet dicke Mauern, kalte Zimmer (in Peru gibt es weder an der Küste noch in denn Bergen Heizungen) abgewohnte Zimmer und eine Einrichtung, die von den Missionaren des 19.Jahrhunderts stammen könnte. Zwei Hunde und eine armselig aussehende Katze gehören dazu.
Links im Bild erahnt man die Köchin und ihren Sohn. Mit dem vierjährigen Francisco habe ich versucht, mich anzufreunden.




Mit der Ankunft in Puquio hört der Spaß der Reise erst mal auf. Mit diesen Cocablättern, die ich morgens eifrig als Tee trinke, hoffe ich , an der Höhenkrankheit vorbeizukommen. Wir alle, Reinhold mit seinem Bluthochdruck, Angela und ich mit Atemnot, spüren die Höhe. Gott sei Dank ohne Kopfschmerzen, aber wenn ich mich bücke und die Schuhe zuschnüre, bin ich außer Atem. Und wenn Angela und ich durchs Städtchen gehen, suchen wir alle 100 Meter eine Bank, um nicht japsend durch die Gegend zu laufen. Der Schlaf will sich beim dünner Luft nur schwer einstellen. Ich könnte also nachts gut mit euch zu ME-FrühstücksZeit telefonieren - wenn mein Telefon denn schon eine funktionierende Peru-Karte hätte. Soll morgen kommen.
An dieser Stelle also die Botschaft: auch meine “Abenteuerreise” hat seinen Preis. Genießt die Normalität des europäischen Alltags! Baut Hochbeete (Martin) oder macht Urlaub im Sauerland (Doro und Hans).

Als letztes Puquio-Stadtbild eine Schule, in der Angela eine Profesora besucht. Die Kinder sind offen und begrüßen mich gerne. Dass die Kinder brasilianische Trikots tragen, hat mit den einzelnen Sportgruppen zu tun. Es gibt auch peruanische und sogar deutsche Trikots.
Puquio Teil 2: Workshops zum Thema:
Gewalt gegen Frauen , Missbrauch und Machismo
Angela Alva ist als Psychologin bei der Prälatur angestellt und hat wie oben erwähnt in Puquio einen Workshop für Lehrer*innen organisiert. Di - Fr kommen ca 20 Männer und Frauen von 15:30 - 18:00. Angela bereitet ihre Themen mit Aufwärmspielen und Arbeitsgruppen und einem temperamentvollen Vortrag unterhaltsam auf. Sie macht sensibel für die verborgene oder auch offene Gewalt gegen Frauen durch den üblichen Machismo in Südamerika. Versucht Rollen bewußt zu machen und das Selbstbewußtsein der Frauen zu stärken. Sie spricht natürlich auch die Männer an. Gemeinsame Verantwortung, Respekt voreinander und Coeducación, also die Achtung vor der Gleichheit der Fähigkeiten, und Rechte.
In den Arbeitsgruppen bin ich willkommen. Da Hartwig hier so schwer auszusprechen ist, werde ich zum “Hardy” und gestern zur allgemeinen Freude sogar zu “Harry Potter”.



Ich bin überrascht über die Bereitschaft, mit der die Teilnehmer*innen sich auf das Thema einlassen und mitdiskutieren. Man merkt, dass hier Teilnehmer*innen mit einem Bildungshintergrund dabei sind. Die Frauen wissen sehr wohl, was Machismo in der Familie bedeutet. In 2 Arbeitsgruppen sollen die Teilnehmer*innen Stereotypen zur Rolle von Mann und Frau sammeln und auf eine Folie schreiben. Ich bin in der Gruppe um die Männerrolle und male einen Männerumriß aufs Papier und vermeide aus Respekt vor den Gastgebern, die Männlichkeit auch einzuzeichnen. Bis irgendwann die Frauen lachend sagen: falta algo, da fehlt doch was…Die Frauen in unserer Gruppe haben einen Riesenspaß, die Macken der Männer zu beschreiben. Bei der Gruppe um die Frauenrolle geht es ruhiger zu und es kommt ernste Kritik auf die Folie.
Abends um 19:00 sind einige Männer eingeladen. Reinhold und Angela wollen sie motivieren, das Thema Machismo mit Männern in Gruppen anzugehen. Es ist nicht sicher, ob sie am 2.Abend kommen werden und sich auf das Projekt einlassen. Aber sie sagen zu. Wir treffen uns Mi-Fr von 19 - 21:30 Uhr! Welche Leistung nach Feierabend! Und keiner stöhnt, wenn auch Alexandro, (ein ganz sympathischer Schulleiter, der mir ein paar Worte Quechua beibringt), häufiger mit seinen Fingern trommelt. Ich bin beeindruckt, wie offen sie auf die Frage eingehen, wie denn „en realidad“ Gewalt und Machismo in den Familien aussieht. Auch sie sind Fachleute, Lehrer, also eine intellektuelle Schicht. Aber als Multiplikatoren ein guter Start.
Das Projekt ist integriert in die Katechesestruktur der Gemeinde:
die Kommunionkindervorbereitung wird 2 Jahre lang durch die Eltern der Ko-Kinder durchgeführt. Dabei werden die Eltern für die Katechese wöchentlich geschult. Innerhalb dieser Schulung will der Bischof die Männer gezielt ansprechen und einladen, in diesen Gruppen ihre Männerrolle zu reflektieren und langfristig zu ändern. Ein spannendes Projekt, wenn auch nicht zu vergleichen mit der Männerarbeit, die ich von Deutschland kenne. Aber ein hoffnungsvoller Start in einem Land, in dem Machismo zum gewohnten Männerbild gehört.

Der letzte Abend und Abschluss der Workshops war auch für mich ein schöner Abschluss der Arbeit mit dieser Gruppe. Ich durfte das Gruppenfoto machen (deshalb bin ich nicht drauf) und es erinnert mich an die vielen mutigen, engagierten und offenen ehrenamtlichen Mitarbeiter in Puquio.
Abschied von Puquio
Das fehlende Wasser und die Mühen mit der Höhe sollen nicht die Erzgebirge Erinnerung an die Tage hier sein. Reinhold hat ein Restaurant aufgetan, das eine Meerschweinchenzucht hat und extra für uns heute zu Mittag Cuyes, Meerschweinchen, zubereitet. Sie zeigen uns ihren Stall für die Aufzucht. 3 Monate braucht ein Tier, bis dass es auf den Teller darf.



Was den Geschmack angeht: mit der Pannade würzig, Das Fleisch : zart und delikat. Mit Herzchen essbar, der Kopf bleibt übrig. Gesünder als jedes Hühnchen, sagt man. Aber ein Knabberessen, kein Filetstück, das mit Messer und Gabel gegessen wird. Beilagen hier: weißer Mais, Kartoffelscheiben, Käsesalat. Und das alles in einem rustikalen, liebevollen “Gartenrestaurant”.

Puquio querido hermoso. - Geliebtes schönes Puquio (eine Wegplatte in der Stadt)
Morgen geht es zurück nach Nasca, “nach Hause”, und ich bin froh darüber. Selbst wenn wir am Sonntag erneut bis Ostern unterwegs sind.
3.Woche
Sonntag, 17.03.24
Start nach Acarí , Yauca und Chala

Heute besuchen wir Acari, ein Städtchen mit einer Gemeinde und Schule, die von Missionspatres von Herzen Jesu geleitet werden.Allein der Name dieser Ordensgemeinschaft verweist auf eine andere Zeit und andere Welt. Das Foto des Gründers - überlebensgroß überall aufgestellt- zeigt das Idol eines strahlendes optimistischen jungen Mannes. Ob dieses Menschenbild die Peruaner mit ihren Fragen und Problemen erreicht? Ich lerne Padre Dario kennen, den Kopf dieser Gemeinschaft. Eine glaubwürdige, intelligente und weitsichtige Persönlichkeit. Ich höre, dass er die 2 jungen Frauen, Freiwillige aus Osnabrück, verantwortlich begleitet. Und sie fühlen sich bei ihm aufgehoben. Vielleicht ist es das, was diese Menschen mit altertümlichen Bezeichnungen ihrer Ordensgemeinschaften schaffen: dass sich Menschen bei ihnen ernst genommen fühlen. Eben und gerade auch die Peruaner, für die sie hier vor Ort durch spirituelle Arbeit, das Angebot einer Schule und Bildung, und durch ihre Präsens in diesem unwirtlichen Landstrich Vertrauen ins Leben vermitteln.
Aber davon wollte ich gar nicht schreiben, sondern von den 4 Schwestern, die der Ordensgemeinschaft der Hiltruper Schwestern angehören , die nach 60 Jahren die Gemeinde verlassen. Dazu gibt es einen Gottesdienst mit Bischof Reinhold und anschließend einen festlichen Abschied, zu dem Norbert (mit mir als Anhang) selbstverständlich dazu gehört. Ich sitze plötzlich neben einer dieser Frauen (Schwestern), die mir auf spanisch erzählt, dass sie aus Ibbenbüren (Bramsche) kommt und dass sie im Regenwald eine Station aufgebaut habe, zu der sie jetzt wieder hinwolle. Vermutlich um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Sie stützt sich auf ihren Stock und ihre Augen funkeln Leben.
Aber erst mal dahin kommen. Wir brauchen 1,5 Stunden dorthin und der Weg führt über die Panamericana, die große “Autobahn”, die Ecuador mit Chile verbindet. Und dieser Weg, diese Autobahn ist immer wieder ein Geschenk der Bilder und Eindrücke eines so reichen Landes. Manchmal nur triste Wüstenstraße, manchmal mit dem Blick auf den Pazifik, und dann wieder hingeworfene Kunstwerke.



Als wir von der Panamericana abzweigen Richtung Acarí, fallen kurz vor der Stadt die vielen Olivenbäume auf. Sie gehören zu Acarí und machen die Stadt für ihr Olivenöl bekannt.Aber das ist eine andere Geschichte.

Hier 3 der 4 Schwestern, die mit einem selbstgebackenen Kuchen als Wegzehrung auf ihre Abreise geschickt werden. Der Kuchen stammt von den beiden Freiwilligen Anne und Janne aus Osnabrück, die in Acarí als Schulassistentinnen seit August 23 ihren Dienst tun. Für mich ein schönes Geschenk, in Peru mal wieder Deutsche anzutreffen. Und dann noch zwei junge Menschen, die ähnlich wie ich alter Sack sich auf ein Abenteuer in der Fremde eingelassen haben. Wir finden schnell einen Zugang zueinander und können Erfahrungen austauschen.

Die Schwestern werden mit einer großen Show verabschiedet, auf der unter Anderem auch der Danza marinera, ein typischer Tanz aus Trujillo aufgeführt wird. Nachdem die Dame zunächst allein tanzt, wird später durch die Zurufe der Zuschauer (bes. der Frauen) der junge Padre der Gemeinde aufgefordert, den männlichen Part zu übernehmen. Das macht er gekonnt, zudem er an Attraktivität und Eleganz den Pater aus den Dornenvögeln übertreffen dürfte. Da blieb kein Frauenauge trocken.

Diese scheue junge Dame singt für die Schwestern.
Mit einem Essen für die engsten Vertrauten, zu denen plötzlich auch die Freiwilligen und ich gehörten, klang der Festakt aus.


Und weil das in Peru so ist: wenn schon mal zwei große Autos da sind (das des Bischofs und der Pickup von Norbert), wurden wir gleich in Anspruch genommen, aus der freigewordene Wohnung der Schwestern Herd, Kühlschrank, eine Pfaffnähmaschine, einen Aktenschrank und andere Kleinigkeiten auf unsere Autos zu packen.. Der Bischof hat schon den Kühlschrank im Auto und befestigt gerade den Aktenschrank auf dem Dach.
In dieser Woche fahren wir die Städte an, in denen Gruppen von Ehrenamtlichen sich für soziale Projekte (im Rahmen der Caritasarbeit) einsetzen. Norbert ist als Verantwortlicher über 30000 €, die der Bischof ihm anvertraut hat, eine Schlüsselfigur für diese Gruppen. Sie berichten ihm über ihre Arbeit und stellen bei ihm Anträge für eine finanzielle Unterstützung ihrer Aktivitäten. Dabei gilt Hilfe zur Selbsthilfe. Bischof Reinhold hat folgenden Anreiz geschaffen: Wer durch eigene Aktionen z.B. 1000 Soles erwirtschaftet, bekommt noch einmal 1000 Soles aus der Caritaskasse hinzu. Mein Interesse ist, diese Projekte hier vorzustellen. Sie zeigen etwas von der Not und dem Engagement vor Ort. In einem oder mehreren dieser Projekte könnte ich demnächst einige Wochen verbringen.
Montag, 18.3.24 in Chala und am Abend in Atico

Projekt Nr.1: Hinter diesem schlichten Gebäude verbirgt sich ein Rehabilitationszentrum für autistische und psychisch beeinträchtigte Kinder und Jugendliche. Eine Psychologin, eine Therapeutin und eine Freiwillige hoffen, mit ihren Angeboten Therapien zu vermitteln und vielleicht sogar in Zukunft einen Lehrer einzustellen mit dem Ziel, hier eine Förderschule für Ihren Ort aufzubauen. Norbert weist natürlich darauf hin, dass hier die politische Vertretung des Ortes eingebunden sein muss. Ein großes Ziel und ein kleiner Anfang.


Projekt Nr.2: Angebot eines Mittagsmenues für 10 Soles (2,50 €) für besonders Bedürftige. Direkt am Hafen in einer schönen Lage gibt es diesen Raum, in dem täglich gekocht wird. Es braucht den Raum, den die Kirche zur Verfügung stellt, Angestellte und Lebensmittel. Ein Vorzeigeprojekt des Pfarrers auf der Basis von Spenden einer Partnergemeinde aus dem deutschen Weinheim. Auch hier kann eine dauerhafte finanzielle Absicherung nicht durch die Caritasgelder ermöglicht werden kann. Das Projekt lebt und stirbt mit der Bereitschaft der deutschen Geldgeber. Mit dem og. Betrag aus dem Caritashaushalt, der auf ein Gebiet von 150 qkm verteilt werden muss, kann man nur Geldspritzen für Einzelprojekte fördern, keine Dauerfinanzierung sichern.





Projekt Nr.3 : Eine Bäckerei, die Brot und Gebäck für Bedürftige anbieten soll. Ein weiteres Vorzeigeprojekt des Ortspfarrers. Gegründet mit großzügigen Spendern aus deutschen Quellen mit einem deutschen Backofen. Irgendwann war der Backofen defekt und in Peru nicht zu reparieren. Da musste ein Neuer her.Außerdem gab es das Problem der Konkurrenz vor Ort. Schließlich musste der Pfarrer das Projekt abgeben und es kommerziell nutzen. Jetzt bietet die Gemeinde nur das Ladenlokal und es haftet der Bäckerei noch die Verbindung zur Gemeinde an. Aber die Kosten dürften auch hier von der Caritas nicht aufzufangen sein. Nichtsdestotrotz: die Angestellten hatten Arbeit und die Kekse waren hervorragend.


Und hier noch ein paar Bilder, die zeigen, dass Chala, durch das die Panamericana führt, peruanisch attraktive Seiten hat: einen Fischerhafen, einen Strand, ein Hotel mit Liegestühlen und Pool. und einem Pfarrhaus mit Dachterrasse, auf der “Mann” morgens TAIJI machen kann.
Padre Benito möchte ich noch kurz vorstellen. Keine Schlüsselfigur, keine Gemeindeleitung. Der 70 jährige Padre hilft in der Gemeinde, wo er kann. Gebürtig aus der Gegend von Puno am Titicacasee wirkt er etwas weltfremd und abwesend. Ist aber überall dabei. In seinem Kopf spielt sich Interesse am Leben ab Er war der erste, der mich fragte, wie alt ich denn sei. Nein, nach meiner Familie hat er nicht gefragt, so groß war sein Weitblick nicht. Aber seine Fragen kamen häufig unerwartet und unvermittelt und zeigten, da lebt was in ihm. Er wird Peru nicht verändern. Er ist nur da, wo er ist. Mit seinen Möglichkeiten.



Danach fahren wir nach Ático, Ca 2 Stunden über die Panamericana nach Süden. Ein wunderbarer Weg durch Wüstenlandschaften und Felsformationen, Berge und Scjluchten. Peru zeigt sich mit seiner beeindruckenden Natur. Zeitweise fahren wir direkt am Meer entlang mit direktem Blick aufs Wasser und die mächtigen Pazifikwellen. Ich könnte Fotobücher davon machen, aber dann müssten wir ständig stehen bleiben und ich müsste die besten Positionen suchen. Das machen wir nur, als die Sonne untergeht und die Berge in wunderbarem Abendlicht beleuchtet werden.





In Atico angekommen trifft sich am Abend die Gruppe der hiesigen Caritas Engagierten. Sie stellen ihr Projekt vor:
Wöchentlich laden sie ältere Menschen ein zum Mittagessen. Frauenpower, um Essen einzukaufen, vorzubereiten den Raum herzurichten ist da. Geld für die Lebensmittel werden durch Spendenaktionen, z.B. Bingonachmittage, Feste mit Einnahmen, erarbeitet. Diese Gruppe z.B. hat Rücklagen von 10000 Soles auf ihrem Konto. Daher kann Norbert diesen Eigenbeitrag jetzt nicht 1.1 verdoppeln. Er verdoppelt die letzte Einnahme von 1000 Soles und legt die 2000 Soles noch oben drauf, die jeder Gruppe zugesagt ist. Da so hohe Rücklagen da sind, werden die Frauen jetzt 2 Mittagsaktionen pro Woche anbieten.
Die Vorsitzende trägt ihren Bericht strukturiert vor. Das Klima in der Gruppe ist sehr angenehm. Es wird viel gelacht, man spürt ein solides Grundeinvernehmen. Offensichtlich machen die Frauen ihre Sache gern.
Nach dem ernsten Teil wird gegessen. Wir kommen ins Gespräch, Norbert erwähnt meine Lust an Pizza, und ich frage, wer mir beibringen kann, peruanische Kartoffeln zubereiten . Die Dame, Sandela mit Namen, die neben mir sitzt zeigt sich als Spezialistin. Eine andere erzählt mit Spaß in den Backen wie hier sie an der Küste schwarze Krebse “azulinjos” fangen. Wenn die Wellen kommen, verstecken sich die handgroßen azulinjos in den Felsnischen und werden von dort mit der Hand herausgeholt. Die Frauen zwicken mir in die Hand, um mir zu zeigen, wie die Krebse sich wehren, und kichern alle aus vollem Hals.
Norbert stellt mir in Aussicht, hier zwei Wochen dieses Projekt zu begleiten. Nicht nur wegen der peruanischen Kartoffel-Nachhilfe.


Dienstag, 19.3.24 nach und in Caravelí
Wir frühstücken bei den mexikanischen Schwestern Eugenia, Teresina und Niko,die immer erst kichert, bevor sie was sagt. Vor dem Frühstück gehe ich noch durch das Städtchen (3 Straßen) an den steinigen Strand, alles ist etwas diesig heute, habe aber einen ruhigen Platz gefunden, auf dem ich Taiji machen kann. Verabschieden uns von den Hotelbesitzern (der Präsidentin der Caritasgruppe) und genießen die kleinen Fladenbrote der Mexikanerinnen. Sie haben Patronatsfest, weil San José ihr Patron ist.

Anschließend geht es auf die Piste nach Caravelí.
Die Strasse gehört fast nur uns. Ein Weg durch wüstenhafte Berge ohne jedes Grün, Steinformationen, die gewaltig sind, jede Kurve bietet einen Blick auf ein neues Naturgemälde. Norbert fährt Gott sei Dank gern gemütlich, sodass wir uns dem Naturschauspiel hingeben können. Alles scheint trostlos, unbewohnt, ohne jede Menschenseele. Plötzlich erscheint ein blauer Punkt am Fuß eines Bergmassivs. Je näher wir kommen, stellt sich die blaue „Säule“ als ein Dixiklo heraus, das offensichtlich von irgendwelchen Minenarbeitern dort abgestellt wurde. Wir genießen die Wüstenlandschaft und denken, es fehlt nur noch die Melodie „Spiel mir das Lied vom Tod“, wir suchen es auf Spotify, aber auch das Internet ist in dieser Wüste Tod. Nada, nichts.


Auf dem Mirador, kurz vor Caravelí haben wir einen Blick über das Bergmassiv eigentlich bis hin zu zwei großen Vulkanen, aber die haben sich heute in eine diesige Wolkendecke zurückgezogen . So fahren wir die letzten Meter in die kleine 6000 Einwohnerstadt Caravelí, gleichzeitig Bischofssitz von Reinhold mit „Kathedrale“ - Was immer das in den abgelegenen Bergen für eine Bedeutung hat oder auch nicht.

In Caravelí angekommen bleiben wir in den spartanischen Zimmers des Pfarrhauses. Dusche über. Den Innenhof. Türen zu den Zimmern sollten geschlossen werden, weil sonst die Schildkröte alles anknabbert. Wir werden empfangen von zwei freundlichen Padres, Jaime und Alexandro, zum Essen kommt Reinhold hinzu.



Um 16:00 kommen 6 Mitarbeiter des Caritasteams zur Besprechung mit Norbert. Es gibt drei Projekte:
1.die Suppenküche Tal. Für die alten Menschen in Caravelí, die keine Verwandten mehr hier haben, die sich um sie kümmern. Sie holen sich mittags im Henkelmann das Essen abholen und wollen es zuhause essen.Das Projekt wird von deutschen Spendern unterstützt, davon werden die Kosten für die Köchin getragen, der Rest von der Caritas.
2.2 Mitarbeiterinnen fahren mehrmals im Jahr mit Padre Jaime in entlegene Dörfer, die keine ärztliche Betreuung haben. Eine Ärztin aus Lima (Tochter oder Verwandte einer Mitarbeiterin) stellt sich als Zahnärztin zur Verfügung und behandelt umsonst. Im Übrigen werden Kleidung, Hygienemittel oder auch Essen verteilt.
3.Walter, ein ehemaliger Lehrer, versucht Jugendliche anzusprechen, ein Mal wöchentlich alten Leuten ihre Bedarfe nach Hause zu bringen, z.B. das Essen oder Einkäufe. Es gibt 80 Adressaten und 40 Jugendliche. Ob sie jede Woche zur Verfügung stehen können, wird in Frage gestellt.
Alle Projekte klingen für mich äußerst lebensnah. Zumal ich diese Stadt als Dorf erlebe, das man in 20 Min. durchlaufen hat. Wer hier ohne Familienangehörige und Absicherung alt wird, ist echt arm dran. Die Jungen zieht es an die Küste. Da bleibt schon mal ein Elternteil allein hier hocken ohne Rente, ohne Altersabsicherung.
Die 6 Teilnehmenden machen einen agilen und aktiven Eindruck. Alter von 35-70. Es wird noch etwas zu trinken und und zu essen aufgetischt. Dann löst sich die Runde auf.


Beim Projekt der Suppenküche direkt nebenan konnte ich einige Ein-Blicke nehmen. Die alten Damen gingen sofort ins Gespräch und stellten sich vor:Mariquita, Rinalda, Huberta. Sie erzählen mir irgendetwas, das ich aus ihren alten Mündern nicht verstehe. Dann trotten sie mit ihren Essensbehältern nach Hause, wo sie ihr Essen zu sich nehmen und den Rest am Abend verzehren. Häufig holen auch Nachbarn den Henkelmann für die Bedürftigen ab.





Mittwoch, 20.03.2024
Von Caravelí nach Incuyo
Das sind die Pisten, die uns heute durchweg begleiten. Die Stoßdämpfer haben etwas auszuhalten, besonders auf dem letzten Stück. Erst in Sondor erreichen wir wieder befestigte Straße, dort, wo der freundliche Bäcker uns frische Enpanadas mit Queso anbieten kann. Köstlich. Aber ab dann kommen echte Schlaglöcher, weil der Regen den korrupt dünnen Asphalt zerstört hat. Wir treffen eine Arbeiterkolonne an, die die Löcher im Asphalt mit Lehm auffüllen. Beschäftigungsmethode, aber nicht nachhaltig.






Hier haben wir Incuyo erreicht. Ein verschlafenes Bergdorf mit einer gepflegten Kirche und gepflegten Ordensschwestern. Hier gilt noch Ordnung. Wir werden vor der Klausur im Vorraum bedient. Alles ist ordentlich und geleckt. Sogar die Schubladen an den Schränken funktionieren ohne zu quietschen. Norbert meint, so wäre die ganze Ordensgemeinschaft: gedrillt und etwas nobel.
Das Projekt beinhaltet, dass ärmere Landbewohner Hühner gestiftet bekommen, um sie zu züchten und von möglichen 2 Eiern immer eines zu verkaufen. Hilfe zur Selbsthilfe und Rücklagen anschaffen für weitere Hühner. Einige Dorfbewohner lehnten ab, weil sie schon das Hühnerfutter nicht bezahlen konnten. Andere haben beide Eier eben selbst gegessen. Weitere Probleme gab es beim Einkauf der Küken. Auf dem Weg von Lima nach Incuyo sind schon drei verstorben… Für das nächste Jahr ist geplant, im Juli/August die Hühnerbesitzer zu besuchen, zu beraten und das Projekt zu prüfen. Vielleicht kann ich die Ehrenamtler dabei begleiten und das Projekt und die Leute näher kennenlernen.
Außerdem ist die Gegend gut bewässert, begrünt und die Kühe liefern gute Milch. Incuyo ist für seinen qualitativ guten Käse bekannt.
Am Schluß bietet mir Hermana Camela noch Quechuamusik auf ihrem Stick an. Sie liefert sogar den passenden Adapter, damit ich die Lieder auf mein Ipad spielen kann.
Von Incuyo nach Pauza
Wir fahren weiter nach Pauza, wo uns die nächste Gruppe erwartet. Außerdem ist es die alte Heimat von Norbert. Hier hat er 1999 - 2004 die Pfarrei geleitet. Der Weg führt durch Bäche und an Geröll vorbei. Aber der Blick erinnert an unsere Alpen.

Dann können wir Pauza schon sehen.



Norbert hat zu seiner Zeit als Pfarrer in Pauza vor der Kirche einen Spielplatz anlegen lassen. Er wird heute noch genutzt. Eine schöne Idee: Die Kirche als Spielplatz - nicht nur für Kinder.


Der Besuch in Pauza lebt von Begegnungen. Hier die Ehrenamtlichen Caritashelfer*innen, die Norberts 60.Geburtstag vorfeiern mit seinem Lieblingsessen und einer Extratorte.

Alte Bekannte und neue Geschichte. Diese Frau konnte schnell altes Vertrauen aufgreifen und von ihrer schweren KopfOP und deren Folgen im Alltag erzählen.

Mama Inka sieht nicht nur aus wie ein Urgestein, sie wird am Montag 100 Jahre. Heute trifft sich die Familie, um den Geburtstag des verstorbenen Sohnes zu feiern. Sie hat 9 Söhne und 2 Töchter. Wie es so ist auf Bergdörfern, gehen die Kinder ins Ausland und versorgen von dort die Familie. Zu den besonderen Festen kommen alle nach Hause. So auch hier zur Misa für den Sohn und zum 100.Geburtstag der Mutter. Mama Inka hat viel für die Stadt und die Kirchengemeinde getan und Norbert ist ein willkommener Gast.

Wer in der Kirche beim Gottesdienst ist, wird nachher um „Ponche“ und einem Gebäck eingeladen. Ponche ist ein warmes Getränk aus Erdnüssen, Zimt. Milch und Zucker.


Zum letzten Frühstück in Pauza lädt Norbert ein zur Sopa de Moto. Einer Suppe aus weißem Mais und Fleisch. Sie muss stundenlang gekocht werden in einem Riesentopf. Daher gibt es sie nicht überall. Ich werde gefragt, ob ich die Suppe mit carne oder mixta möchte. Carne heißt gekochtes Schweine- oder Rindfleisch, Mixta heißt Fleisch mit Hoden und Kuhmagen. Ihr wißt, was ich gewählt habe.
Donnerstag, 22.03.23
Von Pauza nach Lampa

Wir fahren weiter über „trochas“ unbefestigte Srtraßen, aber immerhin Straßen. Es ist Regenzeit, und was das ist, das habe ich hier gelernt: es regnet ab und zu ab Tag. Heute habe ich einen prasselnden einstündigen Regen in Oyolo erlebt. Das hat zur Folge, dass die Flüsse aufgefüllt werden und manchmal reißend sind, die Brücken unsicher werden können und die Mulden in den Straßen überspült und unpassierbar sein können. Wir sind mehrmals durch 10-20 cm hohes Wasser gefahren. Für die Natur bedeutet das Grün und Fruchtbarkeit. Für die Kinder bedeutet es, dass sie mehrere Monate Schulferien haben in der Regenzeit, weil der Schulweg nicht passierbar ist.

Norbert führt mich zu einem Abgrund, von dem aus man in die Tiefe und in die Ferne sehen kann. Regenzeit: der Fluß ist reißend.


Außerdem führt er mich ein die Herstellung von Kosmetikfarben z.B. für Lippenstifte. Aus der schwarzen Cochinilla-Laus, die ihren Kot an den Kakteen ablegt, kann man roten Farbstoff für Lippenstifte entwickeln. Der weiße Kot wird abgekratzt und verwandt, die schwarze Laus wird zerdrückt und zeigt den tiefroten Farbstoff. (Ich habe mir ein paar mitgenommen und werde Christiane mit einer Eigenkreation überraschen.:) )

Wir landen im Kloster von Lampa. Morgens halte ich das Claustrum, das KLOSTER hier im Licht der Sonne und unterhalb der großen Berge noch für ein Paradies. An die Berge geschmiegt, unter der Sonne blühend und voller Leben. Am Abend sehe ich die Menschen, die in diesem Ort um das Kloster herum leben, ihre Kirche, Ihre Heiligenstatuen - und ich denke, brauchen wir solche Bilder, solchen Kitsch, solche Vereinfachungen? Da kommt Verständnis für die Bilderstürmerei und die evangelische Perspektive auf. Aber ich sehe auch, mit wieviel Inbrunst die Männer die Statuen schmücken und das Tragegestell vorbereiten. Das ist ihr Ding. Sie schmücken es mit Kerzen und Blumen. Männer! Das ist ihnen ganz wichtig! Muy importante!
Am Abend dann die angekündigte Prozession. Heute abend zu Ehren des Salvators und der Schmerzensmaria. Dann werden die Jesusstatue auf einem kerzenbekränzten Aufbau und die Schmerzensmadonna ebenfalls auf einem eigenen Ständerwerk durch die Kirche getragen. Vor der Kirche trennen sich ihre Wege, die Marienstatue wird links um dem Platz getragen, die Jesusstatue rechts herum. In der Mitte begegnen sie sich, wie auf dem Kreuzweg. Dann verneigen sich die Statuen dreimal voreinander. Immer werden Gebete gesprochen, Quechualieder vorgesungen, das Vater unser, das Ave Maria gesprochen. Weihrauch schwängert die Luft, Weihrauch aus Palisanderholz. Die Atmosphäre wird immer dichter. Die Prozession immer größer. Am Schluß ziehen beide Statuen wieder in die Kirche ein, und die Kirche ist plötzlich voll. Norbert spricht noch ein Gebet und gibt den Segen, dann wird der Ausrichter für das Fest im nächsten Jahr ausgerufen, bzw. wird gefragt , wer es macht. Denn anschließend gibt es noch für alle Ponche, diese braune Erdnussbrühe aus 5 Liter Kesseln und ein Brötchen. Das muss immer jemand aus dem Dorf ausrichten.Es rührt an, wenn man sich einläßt auf die Atmosphäre, auch wenn es reinste Volksfrömmigkeit ist mit simplen und platten Botschaften. Aber braucht nicht jeder einen Weg, um mit den Sorgen und der Unsicherheit des Lebens klarzukommen? Was soll man von diesen einfachen Berg- Menschen erwarten? Ich sehe viele Kinder auf dem Plaza spielen und denke, es gibt Hoffnung und da ist die Zukunft. Aber es ist jetzt schon ausgemacht, dass die Jugend das Dorf verlassen wird, um die Eltern aus der Ferne zu unterstützen.

Die Prozession spielt die Begegnung Marias mit Jesus auf dessen Kreuzweg nach. Herzzrerreißende Quechuagesänge begleiten das Drama.


Samstag, 23.03.24.
Zur Semana Santa nach Oyolo



Von Lampa aus müssen wir ca 1000 m hinunter an den Fluß, der sich durch den Canyon schlängelt, dann wieder die gleiche Höhe hinauf bis wir an Colta vorbeikommen. Hier muss ich euch in eine Kirche von 1767 entführen, die die Frau eines der letzten Präsidenten hat renovieren lassen (Ihre Familie stammt hier aus der Gegend.) Ein Stück Mestizenkunst, das die Dominikaner hier in diesen entlegenen Bergort geholt haben. Wer keine Lust auf Kirchenkunst hat, macht einfach den PC aus.




4.Woche
Sonntag, 24.03. - Samstag, 31.03.24 in OYOLO
Wir erreichen Oyolo, wo wir die Woche vor Ostern mitfeiern. Oyolo ist ein Bergort, der erst von 20 Jahren mit befestigten Straßen erschlossen wurde. D.h. hier lebt noch ein sehr traditionsverbundener Geist, eine große Einfachheit, Autos sind nur auf der Durchreise. Die Menschen leben von ihrer Landwirtschaft. Die Äcker liegen oft 2,5 Stunden entfernt auf der Höhe. Zu Fuß, versteht sich. Aber es gibt ein Colegio mit 140 Schüler*innen und einen sympathischen Direktor, sodaß man denkt, der Ort hat doch eine Zukunft. Aber wie gesagt, die Jugend wird ihre Heimat verlassen und in den Städten Geld verdienen und was bleibt, sind ihre altwerdenden Eltern mit ihren aussterbenden Traditionen .




Die „Semana Santa“ in Oyolo lebt von einer täglichen Prozessionen, die die Männer und Frauen von morgens bis abends vorbereiten. Aber darüber werde ich mich nicht auslassen. Ich finde keinen Zugang zu diesen scheinbar leeren Traditionshülsen, auch wenn sie den Menschen hier möglicherweise viel bedeuten. Dass Padre Norberto als Priester in dieser Woche vor Ort ist, nutzen die Leute immer mehr für Gespräche, Besuche, Misas disfunctos y salud (Messen für ihre Verstorbenen oder für Lebende). Wir haben die Kinder eingeladen, täglich mit uns um 16:00 eine Stunde zu singen, und sie singen, was das Zeug hält. Jeden Tag kommen ca.12 Kids und haben einen Riesenspaß. Ich lerne den peruanischen Rhythmus, den „Huanyno“ (sprich:waino) auf der Gitarre. Das ist der Rhythmus, den wir von den peruanischen Panflötengruppen auf unsern Weihnachtsmärkten kennen. Ich habe ich entschieden, für diese Woche nur Portäts in den Blog zu setzen, ggf. mit Geschichten, die dazugehören.


Hier das verlassene Pfarrhaus. Hier lebt seit Jahren kein Pfarrer mehr. So sieht es auch aus. Wir reden uns unsere Unterkunft schön und denken, wir sind eine Woche auf einer Almhütte ! Ich schlafe in der Küche. Dabei muss ich mein Bett etwas von der Wand abrücken, weil bei Regen schon mal ein Rinnsal die Wand herunter läuft…Heute Nacht hatte ich 5 Grad im Zimmer. Aber mein Schlafsack schafft das! Ach ja, und die Fenster haben eine Plastik Abdeckung, für Glas hat’s nicht gereicht. Nach dem ersten Schock bin ich nicht unzufrieden und habe mich arrangiert. Wie gesagt, der Flair einer Almhütte.


Tienda (Geschäft, Kiosk) und Restaurant zugleich. Am Wochenende bestellt die Besitzerin ihren Acker, 2,5 Std. entfernt.


Das ist Camillo, einer der zwei Katechista und der geheime Pfarrer der priesterlosen Gemeinde. Ich nenne ihn freundlich den „Zwerg“. Er singt alle Quechualieder vor und ist trotz seiner bescheiden wirkenden Art eine sehr dominante Persönlichkeit. Bei den Prozessionen trägt er (schmutzige) Gewänder und betet vor. Er schenkt uns frisch gekochte „Papas de Oyolo“, typische Kartoffelsorten aus dem Ort. (2.Foto: Größenvergleich)



Sebastian, unser bester Sänger, und Tais hinter ihm.




Die Mädchen aus der Schule waren am meisten interessiert an der Augenfarbe des Gringos. Wollten auch die Augenfarben meiner Frau und meiner Kinder sehen. Musste sofort Bilder zeigen. Als sie Christianes blaue Augen sahen, waren sie völlig hingerissen. So was gibt es in Peru nicht.
Dann fiel ihnen sofort auf, welches iPhone ich habe. Selbst die Kinder der Grundschule waren interessiert und konnten auf Anhieb das Modell erkennen. Beide Gruppen wollten als erstes wissen, wie teuer das denn war. Eigenartig. Kultsymbol? Statussymbol? Neid?


Die Schüler*innen des Colegios schmücken für die Prozession die Straße mit Blumenbildern. Blumen kommen aus dem Pfarrgarten.


Felicitas lerne ich mit Namen kennen, als sie eine Misa bestellt für ihre beiden Töchter. Sie hat eine rauhe, ruppige Stimme. Wir sprechen über unsere Kinder. Da wird ihr Ton sanfter und sie lächelt. Sie will ein Bild meiner Frau sehen. „Ella es muy joven“ Sie ist sehr jung, sagt sie. Dann rückt sie auch mit ihrem Alter heraus: ebenfalls 60.




Xavier aus Lima ist in Oyolo beruflich unterwegs. Nach einer Prozession sieht er die Gitarre bei uns liegen und beginnt peruanische Lieder zu singen, die er früher mit seiner Band gespielt hat. Die Band ist aber unter der Zeit des „sendero luminoso“ auseinandergegangen. Er berichtet, dass er aus Ayacucho kommt, dem Zentrum des terroristischen „Sendero luminoso“, der in den 90er Jahren willkürlich alle vermeintlichen Gegner des Imperialismus und Kapitalismus ermordet hat. Immer wieder begegnen wir Menschen, die von dieser schrecklichen Zeit erzählen. Xavier hat deshalb Ayacucho verlassen und in Lima niemand erzählt, woher er kam. Er singt mitreißend und hat aufmerksame Zuhörer*innen. Wenn ich es geschafft habe, Videos in den Blog einzustellen, werde ich ein Lied von Ihm veröffentlichen. Die mitunter klagende Stimme erinnert mich an die Flamencosänger aus Andalusien.



Das ist Jury, der „Oeconomo“ des verlassenen Pfarrhauses und der Kirche.(Später treffe ich seinen über 80 jährigen Vater, der mir offenbart, dass er Jury nach dem Astronauten Jury Gagarin benannt habe. Jury ist für mich der Sheriff bei dieser „Semana Santa“, weil er Herr über Kirche, Pfarrhaus und Prozessionen ist. Er regelt alles und macht allen die Ansage. Sein Spanisch ist sehr quechua-geprägt. Ich verstehe ihn sehr schlecht, aber er sagt uns, wann wir wo zu Mittag essen und versorgt uns mit dem Notwendigsten.



Die Zeit in Oyolo geht zu Ende. Heute, 29.3.24 fahren wir wieder zurück über Pauza nach Nasca.
Es war eine intensive Zeit, auch wenn ich keine Einzelheiten über den Ablauf der Semana Santa berichtet habe. Es war eine Woche Oberammergau im peruanischen Stil von Oyolo. Am Karfreitag wurde feierlich der Leib Christi vom Kreuz abgenommen und ins Grab gelegt. Die Kirche war voll und es war andachtsvoll still. Natürlich nicht ohne Handy, die das Geschehen im Video festhielten. Es hat die Menschen berührt und sie pflegen eine jahrhundertealte Tradition. Die will ich Ihnen nicht nehmen.
Frohe Ostern aus den Anden
Durch das Kreuz vom Friedhof in Oyolo lässt sich heute der Vulkan Sarasara sehen (5522m). Wir hoffen, dass die Kinder und Jugendichen in Oyolo eine Zukunft haben. Und dass Traditionen nicht einengen, sondern auf andere Horizonte hinweisen. In diesem Sinn euch allen ein hoffnungsvolles und optimistisches Osterfest 2024. (Da heute oder morgen kein Internetzugang sicher ist, heute schon die Osterwünsche.)son


Wir brauchen von Oyolo bis Nasca ca 12 Fahrstunden, mit Unterbrechungen sind wir von 4:00 bis 18:00 abends unterwegs. Das sind die Entfernungen in Peru. Und das kostet Zeit.
In Nasca feiern wir am Sonntag in der Gemeinde Ostern. Schöne Lieder, aber eine konservative, wenig zukunftsorientierte Feier. Die Menschen berühren nach der Misa das Gewand der Marienstatue hinter dem Altar. Man sieht, welche Traditionen und Bräuche ihnen wichtig sind, die uns vielleicht völlig fremd sind.
Also keine Osterfeier, die mich inspiriert oder wie einige meinten, ein besonderes Erlebnis werden wird: Ostern in Peru.
Es wird Zeit, nach vier Wochen, einen ersten Rückblick zu versuchen. Einige haben auch schon kritische Fragen gestellt, die ich gern aufnehme.
Aber jetzt ist in Nasca zunächst einmal Ruhe angesagt, Auftanken und Erholen von der 14 tägigen Reise durch die Anden.
Dazu helfen uns Yin und Yang, zwei neue Hausbewohner, die in der letzten Woche angekommen sind.
Nachtrag zu. Oyolo:
Vier Frauen kommen auf Padre Norberto zu und bitten ihn, mit Ihnen zum Grab ihres Bruders auf den Friedhof zu gehen, um dort zu beten. So lerne ich den Friedhof von Oyolo kennen, eine wilde Wiese mit Kreuzen oder Grabsteinen, ohne jeder Struktur oder Aufteilung. Aber es gibt einen Aufbahrungsort für den Sarg außerhalb (der das Kreuz meines Osterbildes schmückt) und eine eindrucksvolle Treppe hinab zum Friedhof. Der Bruder ist nur 45 Jahre als geworden. Woran er gestorben sei? El estaba borracho. Er war betrunken und ist vom Berg gefallen. Ich spüre keine Verbitterung bei den Frauen, keinen Vorwurf, keine Missachtung. Der Tod gehört dazu. Sie verarbeiten die Tragödie mit Gebet und Ritualen und offensichtlich finden Sie Trost, wenn ein Priester mit ihnen betet und das Grab segnet.
In der Nacht wird Norberto von einem Kollegen angerufen. Er hatte mit Kindern das Karfreitagsspiel vorbereitet. Auf dem Rückweg nach Hause sind zwei Mädchen auf dem Weg über den Fluß offensichtlich abgerutscht und vom Wasser mitgerissen worden. Die wenigsten Peruaner*innen können schwimmen. Die Mädchen sind ertrunken. So nah liegen Tod und Leben in den Bergen nebeneinander. Die Eltern zeigen ihre Trauer, indem sie auf den Pfarrer wütend sind: wäre das Treffen nicht gewesen, wären die Kinder nicht ertrunken… Der Pfarrer versucht in seiner Hilflosigkeit wenigstens einen der zwei Särge zu finanzieren und bittet Norbert seitens der Caritas um finanzielle Unterstützung. Por supuesto, selbstverständlich.


