
Juni 24
Der Juni wird bis zum 26. aus der Reise mit Christiane „Quer durch Peru“ bestehen. Ich möchte Euch nicht mit unseren Urlaubserlebnissen nerven und werde mich beschränken auf die Darstellung unseres Tourprogramms und vielleicht herausragende Bilder des Tages. Natürlich kann ich besondere Erlebnisse nicht für mich behalten (zumal ich den Blog als mein Reisetagebuch nutze). Das erste Erlebnis, das uns beschäftigt, ist folgendes: der Koffer von Christiane ist von LATAM Airlines nicht bis Cusco transportiert worden. Offensichtlich hat er den Umstieg von KLM (D-Dorf - Amsterdam - Lima) auf LATAM (Lima - Cusco) nicht geschafft. Wir warten und malen uns schon aus, dass Peru in solchen Organisationsfragen nicht so fit ist…. 🙈. Seit 24 Stunden hören wir nichts.
Samstag, 1.Juni in Cusco


Mit dem 1.6. beginnt der Festmonat in Cusco. Die Stadt feiert sich selbst. Unter den Augen eines ihrer letzten großen Inkafürsten Pachacutec, dem Cusco seinen GLanz verdankt, flanieren Polizei- und Armeeeinheiten neben Folkloregruppen im militärischen Stechschritt vorbei. Ein befremdliches Bild, wenn Frauen oder alte Männer in ihrer bunten Kleidung „marschieren“. Ein Bewohner erklärt uns die „Fiesta cuscañensa“ und versichert uns, Peru habe kein Interesse am Krieg. Und er weiß, dass „Russland“ in Europa Krieg führt. Immerhin! Später erfahre ich, dass an 1.6. der Fest Monat beginnt, zur Sommersonnenwende hier seinen Höhepunkt feiert. Heute ist also der Tag mit der Verehrung der Sonne! Da gibt es viele Salutschüsse(auch zu Beginn jeder Misa. Daher vielleicht die Präsenz der Schusswaffen .


Unser Tag endet in einem sehr schönen Lokal an der Plaza. In dem wir mit Alpaka-Filet und Lachs unser Wiedersehen feiern. Begleitet von einer Musikband, die von El Condor Pasa bis Tears in Heaven alles mit der Panflöte schafft!
Nachdem wir die touristischen Straßen verlassen haben, treffen wir auf die einheimischen Frauen (es sind fast immer Frauen), die mit Getränken oder Essensangeboten versuchen, Geld zu verdienen.

2. Juni : Erste Tour zu geschichtsträchtigen Orten
Keine Sorge. Ich werde jetzt keinen neuen Reiseführer entwerfen. Nur für mich und mein Reisetagebuch und für Peruerfahrene zur Erinnerung.

Hier der Sonnenhof des Inka in Cusco:Die massiven Felsblöcke der Inkas sind wie Legosteine zusammengesetzt. Keine Fuge, kein Mörtel, mathematisch sauber vermessen. Hier war ihr Mekka, ihr Rom, ihr Jerusalem. Verziert mit 700 Platten aus purem Gold und einem Paradiesgarten, in dem selbst die Grashalme aus Gold bestanden. Leider vermochte der Guide, der Weltmeister im Schnellsprechen war und in jeden zweiten Satz okay oder my friends untergebracht hat, von der Aura dieses Ortes nichts zu vermitteln.

Das haben dann die Spanier aus dem Sonnentempel gemacht. Ein Dominikanerkloster aus den Steinen des Tempels, eine der schönsten Kuppeln Südamerikas und einen Kreuzgang, der die Kunst Europas nach Peru brachte. Dafür haben sie 700 Goldplatten abmontiert und damit das Gold in ihre Kirchen in Spanien gebracht. Und mit den Steinen ihre katholischen Kirchen gebaut.
Ein paar Räume konnten die Spanier dann doch gebrauchen und haben z.B. zwei Räume der Inkas im Sonnentempel erhalten. Durch die Nische fiel zu einer bestimmten Tageszeit die Sonne ein, wie hier die strahlende Christiane.


Die Festung Sacsayhuaman - die Inka-Völker hatten es raus, zentnerschwere Steinblöcke zu transportieren und zu verbauen. Wahnsinn. 200 Zentnerschwere Felsen wurden in diese Festung eingearbeitet. Sie liegt oberhalb von Cusco und hat die Stadt offensichtlich lange gut geschützt. In diesem Monat, am 24.6. , gibt es das jährliche Sonnenwendfest. Überall sieht man junge Leute, die mit anmutigen Bewegungen zu dezenten Trommelschlägen Tänze für dieses Fest einüben. Mich hat diese Ruhe und Einfachheit der Bewegungen berührt. Es hatte eine beruhigende, zentrierende Wirkung,
Weiteres Beispiel für den gekonnten Umgang mit riesengroßen Felsformationen in Quengo, einem Ort für Totenrituale und Begegnungen mit den Verstorbenen.



Wir sind beide ziemlich fertig nach dieser Tour. Ich bin bei jeder Treppe und jedem Anstieg gestorben vor Luftnot. Habe die Befürchtung, die bunten Berge und Puno cancelen zu müssen.


Nach der Rückkehr suchen wir Geschäfte, um für Christiane noch Sachen einzukaufen. Auf Nieves Rat hin fahren wir zum Einkaufszentrum Vea mit dem Taxi (2x8soles)und bekommen dort für 86€ Hose, Leggins, Strümpfe und eine Fleecejacke. Danach suchen wir was zu essen, nehmen erst noch einen Spieß an der Ecke auf die Hand und landen dann nahe der Plaza de Armas bei einer „L Osteria“, einer Pizzeria, nicht größer als unsere Küche (ohne Möbel), aber freundlich und lecker! Ein guter Fund!
Montag, 2.Juni
Fahrt ins Heilige Tal der Inka-Völker

Wir fahren ins Heilige Tal mit Jose, einem Mittvierziger Peruaner, der halbwegs verständliches Spanisch spricht. Er führt uns durch das Tal, in dem die Inka-Völker ihre landwirtschaftlichen Experimente gemacht und durch Terrassenanlagen ein Optimum an Erträgen erwirtschaftet haben. Sie hatten mal wieder ein Händchen für Landschaft und Natur. Welche Früchte brauchen mehr Kühle, welche mehr Sonne, welche mehr Schatten. Und dazu die astrologischen Berücksichtigungen: Bei vollem Mond sät man nicht usf.
Schon die Spanier haben das Tal „heiliges Tal“ genannt, und das will für diese Rabauken schon was heißen.


Und endlich begegnen wir Alpakas, nach denen mich die Enkel bei jedem Telefonat fragen. Ich bin ja in das Land der Lamas gefahren und habe bisher noch keines zeigen können. Endlich kann ich eines mit Christiane aufs Foto bringen lassen. Allerdings reicht den Tieren irgendwann die große Gruppe. Jeder will sich ja möglichst mit Körperkontakt mit einem Alpaka fotografieren lassen. Und Christiane ist es dann, die den Ärger eines Tieres abbekommt und einmal kräftig angespuckt wird. Trotzdem gibt es nette Fotos.

Wir sind auf der Tour Richtung Aguas Calientes. Um 15:15 erreichen wir Olantaytambo, aber unser Perutrail nach Aguas C. geht erst um 19:00. Ärgerlich, was für eine Planung. Manchmal denken wir, Nieves, unsere Reisebürofrau aus Cusco ist nicht die geborene Organisatorin. Sie meint es gut, aber wir sind eben in Peru. Die meisten aus unserer Gruppe fahren um 16:00 mit dem Perutrail nach Aguas C.. Wir hocken noch drei Stunden in Olantaytambo. Dafür lernen wir etwas von der alten Festung der Inkas dort kennen und ein Cafe mit einer überaus leckeren Crêpe mit überaus leckerem Vanilleeis zu überaus günstigen Preisen.

Die Festung Olantaytambo
Als wir einer vierköpfigen inkaverkleideten Kindergruppe, die uns ein Quechualied vorsingt, gern etwas geben, kommen die zwei Jüngsten kurze Zeit später wieder und wollen Armbänder verkaufen. Christiane „verführt“ sie und zeigt ihnen die Snoopy und Mickey Mouse Zifferblätter ihrer Applewatch und die Kinder sind fasziniert. Es gelingen wunderbare Fotos, Und am Ende gibt die dreijährige nicht auf und will doch noch ein Armband verkaufen. Aber da ist sie an die falsche geraten!



Um 19:00, nach einem leckeren Pisco sour am Bahnhof, geht es dann endlich mit den Zug nach Aguas C. Es ist wie bei Harry Potter auf dem Gleis 9 3/4 Richtung Hogwood.
Eine Spannung liegt in der Luft. Machu Pichu wirft seine Schatten voraus. Menschen aus allen Teilen der Erde schieben sich auf den Bahnhof zu. Endlich kommt ein grüner, altertümlicher Zug angerollt. Erneut muss das Ticket und der Reisepass gezeigt werden. Es gibt vorgegebene Sitzplätze für jeden. Im Abteil spielt Musik. Die Wände der Abteile sind mit dezenten Bildern, Zeichnungen geschmückt,

Uns gegenüber sitzen ein nettes Päarchen aus Valladoid in Spanien. Auch die amüsieren sich über den Servicebegleiter, der in unserem Waggon jedem, der es wünscht, Wasser anbietet. Aber nach jedem Glas verschließt er gründlich die 2 Literflasche, um sie beim nächsten Sitz für den nächsten Gast wieder zu öffnen. Peruanische Entschleunigung. Christiane möchte gern eingreifen und das Ganze effektiver gestalten…(Sie ist erst drei Tage hier.)
Die spannungsgeladene Atmosphäre ist wie eine Vorbereitung auf diesen energiegeladenen Ort, der morgen auf dem Programm steht: Machu Pichu. Daran kann auch nicht das Hinterhofhotel ohne Fenster nach draußen etwas ändern. Nur der Kofferverlust geht uns nicht aus dem Kopf.

Dienstag, 4.6.
Um 6:50 auf dem Platz vor der (offenen) Kirche werden unsere Namen aufgerufen. Jeder Guide trommelt seine Gruppe zusammen, führt sie zum Halteplatz der Busse. Wir stehen mit einer amerikanischen Familie aus Florida zusammen, deren ca 16 jährige Tochter ihr Deutsch aus der Schule verschämt nicht anwenden mag. Der Australier, der mit einer Plastiktüte und viel zu großen Schuhen an den Füßen dazustößt, berichtet von seiner kleinen Weltreise, und die zwei finnischen Männer im gehobenen Alter erzählen offen, dass sie mit der Höhenluft auf ihrer Tour nicht klarkamen und den Besuch von Puno und dem Titicacasee gecancelt haben.


Edgar, unser Guide, überzeugt uns durch eine engagierte Führung. Berichtet, dass er mit dem Naturglauben an den Schöpfergott Viracocha großgeworden ist und was seine Eltern ihm von der Inkareligion mitgegeben haben. Er ist ein überzeugter Machu Pichu Fan, weist uns hin auf die schönsten Orte und Aussichten auf dem Gelände und weiß seine Lieblingsplätze zu nennen. Er liebt die Atmosphäre und Aura des Ortes. Und so werden wir immer liebevoller an diesen Ort herangeführt: an die religiöse Seite (es gibt 7 Tempel hier oben), die astrologische (der Sternenspiegel), die landwirtschaftliche (mit dem Terrassenanbau) und auch die soziale Seite. (Immerhin hat der Inka nicht mehr Zimmer zur Verfügung als die anderen Bewohner dieser geheimnisvollen Stadt). Dann wundern wir uns, als uns am Ende der Führung alle Zeit der Welt gegeben wird, um an diesem wunderbaren Ort solange zu bleiben, bis wir rechtzeitig am Zug sein müssen.

Die berühmte Stadt vor dem Bergmassiv des Machu Pichu.

Der Sonnentempel, der die perfekt Sonnenwende durch seine zwei Fenster bestimmen konnte.

Die beiden Wohnräume des Inka: Empfangsraum, Wohnraum.

Der Tempel der drei Fenster: den drei religiösen Ebenen zugeordnet: 1.dem Condor (spirituelle Ebene) 2. dem Puma (irdische Ebene), 3. der Schlange (unterirdische Ebene).

Die Arena mit einer Super-Akustik!

Der terrassenförmige Anbau der Landwirtschaft.

Die begnadete Landschaft rundherum, die die Stadt verbarg, nachdem sie irgendwann und niemand weiß warum verlassen wurde. Die Zuwege wuchsen zu und 400 Jahre fanden Fremde diesen Ort nicht wieder.



Was diesem Ort seine Aura gibt?
Die baumbedeckte und trotzdem schroffe Berglandschaft rundherum hat einen ungeheuren Charme. Ist es die Ausstrahlung des Ortes, die selbst der Inka und seine Anhänger gespürt haben? Oder ist es die Energie, mit der 100 Jahre lang an dieser Stadt gebaut und mit der hier gelebt, geliebt, gebetet und geforscht wurde? Es bleibt eine Anziehungskraft, die nicht endgültig erklärbar ist.
Wir waren uns einig, dass wir dort im nächsten Jahr gern eines der Häuser als Ferienwohnung mieten würden…😊
Mittwoch, 5.Juni. Der Koffer ist wieder da!
Mehr schreib ich besser gar nicht. Aber Christiane konnte Nieves überzeugen, dass wir noch einmal zum Airport in Cusco fahren und dort Druck machen. Als wir ankamen, stand das Kleinod arm und verlassen hinter dem Tresen der LATAM Airlines. KLM hatte ihn offensichtlich nicht mit nach Cusco verladen und ihn anschließend nachgeschickt. LATAM hat ihn zurückgeschickt, weil er angeblich nicht registriert war. KLM wiederum…Das soll als Erklärung reichen. Jetzt ist er da. Darauf einen Super leckeren Pisco sour!
Donnerstag, 6.Juni


Einkehr bei einer Alpaka-Manufaktur. Natürlich eine Kaufveranstaltung. Aber mit der kleinen Tochter, die mir meinen Früstücksproviant gern abnimmt, wird es leichter. Schließlich nehmen wir eine handgewebte Decke mit. Wir wissen ja wer sie gemacht hat, oder doch nicht? Aber sie hat uns gefallen.

Die großartig angelegten Terrassenanlagen der Inkabauern aus dem 15.Jh.. in Maray. Der Guide ist furchtbar laut., schnell und unsympathisch. Dafür lernen wir eine junges Paar aus Brasilien kennen, die mit uns ein gutes Deutsch sprechen (C1-2) und ein guter Ausgleich um nervenden Guide sind.

Die beeindruckenden Salzminen dürfen nicht fehlen. Aktiv dürft 500 Jahren. Gespeist aus einer oder mehreren salzigen Quellen.

Als wir nach Cusco zurückkommen ist ein großes Fest im Gange: „Corpus Christi“, der Abschluss der großen Festwoche im Juni. Auf dem Plaza vor San Franzisco : Der ganze Platz ist voller Bierzeltgarnituren und Essständen. Es wird offensichtlich vorwiegend Cuy - Meerschweinchen angeboten. „Corpus Cuy“(?). Eine alte Tradition. Wir werden aufgefordert, mitzuessen. Freundlich rutschen einige Leute an die Seite, um uns Platz machen. Freuen sich, dass wir uns trauen, Cuy zu essen .Ich finde es ganz zart und würzig, jedenfalls die Fetzen, die man abknabbern kann.

Auf dem großen Platz findet derweil zum Abend die große Prozession der Heiligenfiguren statt. Die Peruaner haben daran einen Narren gefressen. Sie haben Spass ohne Ende. Eine Fiesta für alle.


Freitag, 7.6.24
Der letzte Ausflug vom Standort Cusco aus zu den „Montañas de Colores“ , den bunten oder Regenbogenbergen. Mineralische Schichten lassen verschiedene Farben auf der Bergoberfläche entstehen, ein wunderbares Bild. Ein Nachteil: man muss früh in der Nacht über 3 Stunden über Schotterpisten losfahren, um dann auf 4600 m Höhe die letzten 2,5 km dorthinzukriechen. Denn die Luft ist dünn, und nicht jede Lunge macht das so locker mit. Am Ziel sind es dann knapp 5000 m Höhe. Ich habe mir ein Pferd genommen, möchte euch aber den Anblick ersparen, wobei die Inkafrau mit kräftigen Waden und Schritten meinen Gaul geführt hat. Christiane hat es zu Fuß geschafft mit großen Mühen. Wobei ich zu meiner Ehrenrettung sagen muss, dass ich die 70 Meter bis zur Aussicht und den Rückweg eigenfüssig geschafft habe. Wir waren beide nachher nur geschafft!
Ich hätte noch das eine oder andere Video einzustellen, zB von Reiten oder der Prozession in Cusco . Aber ich sitze im Bus von Puno nach Arequipa und da lässt das Internet nicht mehr zu.




Blick in das Tal auf der anderen Seite des Bergzuges. Und auf der Höhe leuchtet der schneebedeckte 6000er hinüber.

Abschied von Cusco
Am Freitag, 7.6. schlendern wir ein letztes Mal durch die schöne Stadt. Trinken einen schönen Cocktail in der Garibaldi-Cocktailbar (Geheimtipp!) und freuen uns, Cusco so lange erlebt zu haben. Zum Schluß den kleinsten und den größten Stein, den die Inkas in ihre Mauern verarbeitet haben und eine moderne Touristin mit passendem Hut.





Der Turm des Convento San Domingo am Abend.
Cuscensische Reflexionen:
Die Spanier haben doch nicht alles zerstört
An dieser Stelle belästige ich euch noch einmal mit Erfahrungen und Reflexionen über die Spanier und die Inkas, die hier besiegt wurden. Immerhin waren wir hier in Cusco, dem Nabel der Welt der Inkas. und das bleibt nicht ohne Folgen. Wer keine Lust darauf hat, scrollt einfach bis zum nächsten Foto weiter.
Mir scheint die Reise durch den Osten und Süden Perus neue Ansichten und Einsichten zu vermitteln. Ich begegne in Cusco und weiter hinein in den Süden zum Titicacasee vielen Inka-Traditionen, Inka-Tempeln und Inka-Geschichten, die mir an der Küste nicht so aufgefallen sind.
Eigentlich ist INKA die Bezeichnung des einen Herrschers des Inka-Volkes. Es gab 14 Inkas, aber nie zwei gleichzeitig. Trotzdem hat sich der Begriff Inka eingebürgert für ein Volk, eine Religion, ein Zeitalter. Das weiß ich, und benutze einfachheithalber das Wort für diese ganze Kultur. Man möge es mir nachsehen des besseren Verständnisses wegen:
„Mit Genugtuung lerne ich in Cusco, dass die Spanier doch nicht alles zerstört haben. Ja, viele Steine, viele Inka-Tempel, viele Menschen. Am Plaza de Armas hängt eine Gedenktafel an den letzten Inka-Widerständler Apu Amaru, der auf diesem Platz gevierteilt wurde, nachdem man seine schwangere Frau vor seinen Augen erwürgt und seine drei Kinder geköpft hat. Wie soll man mit solch einer Geschichte, die dann auch noch christlich motiviert ist, leben? Und zwar als Peruaner? Mario, unser Guide, der Ehemann von Nieves, hat dazu nur einen Satz: das gehört zu den dunklen Seiten unserer Geschichte. Da werde ich still. Da müssen wir Deutschen sehr kleinlaut werden und einige Seiten unserer Geschichte schön zugedeckt lassen.
Bisher waren mir die vielen Quechua-Namen auf der peruanischen Landkarte fremd. Ich kann sie nur schwer behalten. Aber inzwischen kann ich sie verbinden mit der ureigenen Geschichte der Peruaner*innen. Die Spanier haben nicht alles zerstört: ich erlebe immer mehr Menschen, die den Reichtum ihres Inka-Glaubens noch bewahrt haben und leben. Jose, der Guide auf Machu Pichu, heute Max, der Guide auf dem Weg nach Puno - sie öffnen ihr Herz und zeigen ihre Verbundenheit mit Vicacancha, dem Schöpfergott, (Max trägt missionarisch ein farbenfrohes Quechua-Kreuz um den Hals, wobei das Kreuz nichts mit der christlichen Symbolik zu tun hat). Sie fühlen sich mit Pachamama, der Mutter Erde verbunden und leben mit einem ganz anderen Verständnis von Natur. Er erzählt von der Heilungsgeschichte seiner Mutter durch einen Heiler in Cusco. Ihm laufen die Tränen. Sie leben mit vielen sympathischen moralischen Grundregeln, die diese Naturreligion bereithält. Heute habe ich die Bedeutung der beiden Toros, der Stiere, kennengelernt: hoy por ti, mañana por mi - und das ganze auch umgekehrt: hoy por mi, mañana por ti. Heute für dich, morgen für mich. Und bei Gelegenheit auch umgekehrt: heute für mich, morgen für dich.
Die Balance des Egoismus oder die beiden Seiten der Selbst- und Nächstenliebe. Das kommt mir bekannt vor. Auch die drei Grundgebote der Inkas: nicht lügen, nicht stehlen, nicht töten. Einfach, aber sinnvoll. Passt auf einen Fingernagel, braucht keine zwei Gebotstafeln.Diese Werte scheinen in Peru noch fortzudauern. (Korruption ist ein anderes Thema) Ganz offen sagen manche: die Verehrung der Maria del Carmen, der Gottesmutter ist die Fortführung der Verehrung der Pachamama aus dem Inkaglauben. Und wieviele Lieder in der Quechuasprache haben Einlass gefunden in die Liturgie der christlichen Messfeier. (Fragt sich, was stärker ist, der neu erlernte Christenglaube oder der verwurzelte Glaube an Vicacancha, Pachamama und wie sie alle heißen.)

Das sind alles nur Bruchstücke und vielleicht Halbwahrheiten, weil ich nicht tief genug gehen kann. Aber Max,der heutige Guide bestätigte, dass Peru auch heute noch vom Inkaglauben durchsetzt, wenn nicht geprägt ist. Welch ein Trost bei diesem reichen Erbe und nach dieser leidvollen Kolonisation- und Christianisierungsgeschichte. Vielleicht ist die Christianisierung nur eine andere Form, um die alten Wahrheiten des Inkaglaubens nicht zu vergessen“.
Samstag, 8.6.24 Fahrt nach Puno, Titikakasee
Wir unterbrechen die Fahrt an mehreren Stellen. Zuerst in Raqchi, um einen alten Inkatempel und seine Vorratssysteme anzuschauen. Tatsächlich stehen noch ein bis zwei Mauern des Tempels. Und dahinter finden wir Rundbauten, die mal wieder einige Tricks und Erkenntnisse der Inkatradition bergen. Hier wurden vermutlich Vorräte trocken gehalten und auf Jahre hin gelagert. Die Luftzirkulation war derart berechnet, dass weder Tiere eindringen, noch Fäulniserreger sich breit machen konnten.

Reste des Tempels des Schöpfergottes Viracocha.



Und hier die Rundbauten für die Vorratshaltung.
Außerdem besuchen wir eine christliche Kirche mit Deckenmalereien aus dem 18.Jh., die an die Sixtinische Kapelle erinnern sollen. Bis wir zum Abend Puno erreichen und unser bescheidenes Hotel. Puno erscheint uns wie eine vergessene Stadt. Es ist Sonntag und die Straßen sind zudem recht leer. Wir finden eine halbwegs leckere Pizzeria und ein Lokal, das von zwei alten Damen liebevoll geführt wird. Sie werden uns nach dem Besuch auf den Inseln übermorgen wiedersehen und gut versorgen. Puno ist eine einfache Stadt ohne besondere Sehenswürdigkeiten oder Auffälligkeiten. Sie lebt von dem See, der 15 mal größer ist als der Bodensee und der eben auf fast 4000 ü.d.M. liegt.

Sonntag, 9.6.24. Auf die Insel Amantaní
So direkt geht es dann doch nicht auf die Insel, auf der wir auch über Nacht bleiben werden.
Zuvor steuern wir zwei Inseln an, die als schwimmende Inseln bezeichnet werden. Und tatsächlich, ca 20 aus Schilf gefertigte Häuschen stehen auf einem ca 50 cm dicken Torfgemisch, das die Einwohner mit einer etwas 10 cm dicken Schicht Schilf abgedeckt haben. Wenn man sie abnimmt, spürt man Feuchtigkeit und Wasser. Aber die Geschichte hält und diese Menschen leben hier. Bei all den Erklärungen sind mir viele Fragen offen geblieben. Wovon leben sie, was tun sie, was passiert, wenn einer von der Insel ins Wasser fällt 😀…wie gehen die Kinder zur Schule usf.

Hier der Präsident dieser Insel, der uns eine Audienz gibt und das Natursystem erklärt. In Quechua, bzw. dem anderen hier üblichen Dialekt natürlich. Der Guide muss übersetzen.


Die Kinder und Frauen allerdings sprechen ein paar Worte Spanisch und führen uns durch ihre Hütten - um dort Stoffe oder Decken zu verkaufen. 4 Personen wohnen hier.

Alles ist recht kommerziell angelegt. Jedes Lied, jeder Tanz, selbst das Verabschieden klingt wie geübt. Auch die Kinder sind aufs Geldverdienen gepolt. Ungefragt kommen sie und singen oder tanzen etwas vor und halten dann die Hand auf. Irgendwie verständlich. Denn auf der Insel kann man ja keinen Mais oder Quinoa anbauen…
Und dann die Einladung, mit ihrem „Mercedes-Benz“ (O-Ton) auf die schwimmende Nachbarinsel zu fahren (30 Soles p.P.). Interessant, el Presidente spricht kein Wort Spanisch, aber Mercedes kennt er…



Auf der Insel Amantaní
Irgendwann am Mittag kommen wir mit dem kleinen Boot auf unsere Insel an. der See hat nur zwei größere Inseln, Amantaní und Taquile, die man ungefähr in 3-4 Stunden von Puno aus erreicht. Unser Tourprogramm versprach uns eine Übernachtung in einer Familie auf der Insel Amantaní, was sich für uns spannend und persönlich anhörte.

Angekommen, kraxelten wir 20 Minuten mit unseren Rucksäcken sofort einen Hang hinauf ( wir sind immer noch knapp unter 4000 m, sodass wir nur geschlichen sind!) , um besagte Familie zu erreichen. Was sich uns dann anbot, hat uns umgehauen. Ein Dreibettzimmer ohne eine einzige Steckdose, ein Bad ohne fließend Wasser (und selbstverständlich ohne Dusche) und eine Familie, die in tiefster Armut lebte. Wir wurden freundlichst empfangen und mit sicher mit Bio-Lebensmitteln verköstigt, aber die Aussicht, unter diesen Bedingungen unseren Hochzeitstag zu verbringen, hat uns schier umgehauen. Die Einladung in die Küche (s.Foto) zur großmütterlichen Köchin war spannend, aber für wirklich kein ungewohntes Erlebnis mehr.


Kurzum: ich habe dem Guide gesagt, entweder eine andere Unterkunft, oder wir fahren nach Puno rück (was gar nicht gegangen wäre, weil der Bootsführer selbst auf der Insel übernachtete wie sich später herausstellte). Aber die Entschlossenheit hat uns zu Sofia geführt, einer Unterkunft mit einem Zweibettzimmer mit einer Terrasse mit Meerblick und eigenem Bad mit Dusche. Außerdem zeigte sich Sofia als clevere Frau, die uns freundlichst versorgte und auf die Frage, woher diese Armut bei manchen Familien komme, nur an ihren Kopf tippte: man muss schon etwas tun für seinen Lebensstandard.

Dieses Bild mit Sofia in der Küche ist für mich ein wunderbares Bild für den Unterschied und für die Ruhe, die von Sofia ausging. Natürlich ein anderes Platzangebot und eine andere Großzügigkeit, in der wir atmen konnten.

Nachdem wir zufrieden waren mit dieser Lösung ging es an den Aufstieg zum ehemaligen Tempel der Pachamama auf die Höhe von 4150 m. D.h. Im Schleichtempo hinauf, um einen wunderbaren Sonnen-
untergang und die Rundsicht auf die Berge zu genießen, die den Titikakasee umgeben.



So durften wir doch noch glücklich unseren Hochzeitstag beschließen und anschließénd lernen, dass man mit einer Mütze auf dem Kopf im Haus, versteht sich, Heizungskosten sparen kann! (Man muss dabei ja nicht ständig in den Spiegel schauen!). Und so eine Küchenschürze brauche ich auch noch!

Montag, 10.6.24 Zur Insel Taquile und nach Puno zurück
Am nächsten Morgen geht es zur Nachbarinsel Taquile. Dort wieder ein wunderbarer Wanderweg zur Plaza des Ortes - wenn nur die höhe nicht wäre. Auf der Plaza erwartet uns eine tanzende Folkloregruppe, die das sicher aus kommerziellem Interesse tut, aber wohl auch wirklich bei der Sache ist. Auf dem Weg bietet uns ein Junge ein paar Kräuter an, nicht ohne dafür etwas zu erwarten…


Wir sind erstaunt über die Trachten, die die Menschen hier tragen. Besonders über die schwarzen Umhänge der Frauen. Während wir später erfahren, was die einzelnen Farben und Mützen darüber sagen, ob jemand noch „zu haben“ ist oder nicht…

Wo sie gehen und stehen, dreht sich die Spindel…


3 Stunden tuckern wir wieder - nicht mit dem hier sichtbaren Touristenschiff, sondern mit einem bescheidenen 20 Personen-Boot - nach Puno zurück und nehmen eine (leichte) Bronchitis mit, weil unser Körper mit der Höhe und den Wanderungen doch an seine Grenzen gekommen ist.
Mittwoch, 12.6.24 Arequipa - Besuch des Convento Santa Catalina
Der Besuch des alten Frauenklosters Santa Catalina bedarf keiner Erklärungen. Die bunte Gestaltung des Komplexes reicher adliger Frauen zeugt von Reichtum und Gestaltungskraft. Es ist eine kleine Stadt.












Kirche la Compaña - Arequipa
Endlich finde ich ein Dokument des Widerstands gegen die spanische Invasion des Francisco Pizarro. Bei der Führung durch Arequipa gelangen wir in die Jesuitenkirche „La Compañía“. Unsere schrullige alte Fremdenführerin, die schlechtes Englisch spricht und der wir über manche Stufen helfen müssen, weiß uns auf einige Kleinigkeiten hinzuweisen: unter anderem, dass diese Abendmahlsdarstellung Vorlage für die Darstellung in der Cusco-Kathedrale sei, in der ein Meerschweinchen auf dem Abendmahlstisch liege. Hier sei es ein Lamm.(?) Aber noch wichtiger der Hinweis, dass die Judasgestalt (2.v.l.vorn) das Gesicht des Inkamörders Francisco Pizarro bekommen hat. Ein Hieb auf die Kirchenpolitik in Lima, die Pizarro mit einem Grab in der Kathedrale verehrt. Die Jesuiten konnten es sich scheinbar leisten. Allerdings wurden sie von Papst 1798 aus Peru abgezogen, weil sie sich zusehr mit der Inka-Religion beschäftigt hatten….
Do / Fr 13/14.6.24 Ausflug zum Canyon de Colca / Flug des Condor
Niemals geht es direkt zum Ziel. Irgendwo gibt es immer einen tollen Berg, eine Gesteinsformation, an der zufällig eine Verkaufsstand angesiedelt ist. Alles mit Blick auf die Vulkane im Hintergrund.



Unterwegs vorbei an Gruppen von Vicuñas. Und später Lamas, die allerdings, wie wir nachher hören, extra für Touristen „ruhiggestellt“ werden, damit sie nicht weglaufen. Was die Leute nicht alles für Geld tun…


Wenn man mit einer geführten Tour unterwegs ist, gibt man die Selbstbestimmung beim Guide und beim Busfahrer ab. Deshalb landen wir unterwegs bei den Lamas, beim Aussichtpunkt auf die Vulkane oder plötzlich in einem Dorf mit einer alten Kirche, vor der sich die Verkaufsstände tummeln. Eigentlich wollten wir nur zum Cañon Colca…
Dafür müssen wir aber in Chivay übernachten. Netterweise gibt es dort heiße Quellen, sodass wir in 38 Grad heissem Wasser entspannen und ausruhen können. Das tut gut, und entschädigt für die bescheidene Hostalunterbringung in einem entlegenen, schlicht eingerichteten Haus, das von einer kommunikativen Hausmutter unterhalten wird.





Wir erfahren viel von ihr, aber wir sind mit 2 anderen die einzigen Gäste. Etwas einsam alles. Halb so schlimm, wäre ich nicht ziemlich angeschlagen und mit der Höhenluft wie auch mit einem Infekt arg mitgenommen. Gott sei Dank geht es Christiane besser und sie kann wenigstens das anschließende Essen geniessen, auch wenn sie ihre Unterbringungswünsche nicht erfüllt sieht.
Wir lassen uns auf einen Folkloreabend mit Abendessen im Ort ein, zu dem der Guide uns führt. Die Musik hilft mir, mich abzulenken und den Abend und die anschließende Nacht zu überstehen. Nachts ist es draußen 0 Grad. aber die nette Wirtin hat uns extra ins 3.Stockwerk gelegt, weil es dort nicht so kalt sei. Stimmt.
Endlich gelangen wir am Freitag zum Cañon Colca. Eine wunderbare Landschaft, ein wunderbares Tal. Ich hatte einen spannenderen Blick in die Tiefe erwartet. Aber für die Condore reichte der Auftrieb, um ihre Kreise zu ziehen und für die Touristen ihre Flugübungen zu zeigen. Ein wunderbares Schauspiel.




Wir waren hier. Und die Condore auch.
Samstag, 15.6.24 Abschied von Arequipa - Heimkehr nach Nasca
Endlich wieder auf normaler Höhe in Arequipa. Ich kann durchatmen und muss nicht nach 5 Schritten pausieren. Christiane ist weit fitter und belastbarer. Vielleicht erinnert mich mein Körper an mein Alter oder an andere Grenzen. Jedenfalls legt sich die Anstrengung der letzten Tage wieder auf meinen Magen und ich bin unfähig, irgendwas zu essen. Das schöne Restaurant am letzten Abend, - „Chicha“ , sehr zu empfehlen! - bietet ein wunderbares Ambiente, aber das Essen genießt Christiane eher allein, ich schaue zu und löffle an meiner Hühnersuppe.

Trotzdem entdecken wir zwischendurch noch ein schönes Cafe: „Republica“ und zum Frühstück am letzten Morgen die Bäckerei „Masamama“ , deren leckeres Brot wir mit nach Nasca nehmen.


Um 12:00 geht es in den Bus bis wir nach knapp zwei Stunden auf der Panamericana landen, die uns bis Nasca führt.


Der bequeme Bus von „Cruz del Sur“ macht das Reisen leicht, aber es sind trotzdem 10 Stunden bis Nasca und nicht immer risikofreie Abschnitte. Eine Vollbremsung erleben wir wegen Steinbrocken auf der Straße und das Umfahren dieses gekenterten LKWs.
Erfreulicherweise sitzen neben uns zwei Deutsche aus der Nähe von Leipzig, die auf Weltreise sind, offen und kommunikativ und die unsere AFD Abneigung auch als Ostdeutsche im Tiefsten teilen.


Um 22:00 kommen wir pünktlich an und im Haus bewirtet uns Jesús noch freundlich mit ein paar Spiegeleiern. Bis um 24:00 sitzen wir munter zusammen, obwohl Jesús in der Regel früh zu Bett geht. Ich hatte ihm 2 Ballen bunte Wolle von der Insel Taquile mitgebracht, weil er gerne strickt und sich damit auch etwas Geld verdient. Als er aber Christiane empfängt und ihr einen gestrickten Schulterumhang schenkt (wie ihn unsere Eltern oder Oma früher im Bett umlegten,) und zwar in einem Mintgrün mit weißem Rand , da sind wir gerührt bis belustigt. Aber er meinte es so ehrlich, dass Christiane ihn noch in der gleichen Nacht getragen hat😇.

16. - 18.6.24 Erholung in Nasca
Das hatten wir uns so gedacht. Erholen von der Fremdbestimmungs-Seite unserer Tour, endlich mal keinen Wecker stellen, dort pausieren, wo wir es möchten, in keinen Minibus steigen und über Schotterpisten fahren.
Aber es gibt nirgendwo das Rundumsorglos-Paket. Natürlich bekommen wir am ersten Morgen ein 5 Sterne-Frühstück von Jesús. Und wir können durch den Ort schlendern, auf dem Mercado bummeln und fremdes Obst genießen und einkaufen. Aber der Ort Nasca ist keine gepflegte Stadt und für Christianes Lebensgefühl kein Wohlfühlort.


Wir genießen die ein zwei netten Cafés, die ich für gut befinde und finden uns um 17:15 ein zum Sonnenuntergang auf der Terrasse im Haus, eine gute Tradition zum Austausch und zum Runterkommen.


Allerdings hat sich das Haus verändert. Die Baustelle nebenan ist in vollem Gange. Manuel und Roosewelt, zwei Arbeiter aus Arequipa, total freundliche Menschen, wohnen mit im Haus. Der Baulärm: Presslufthammer, Schweissgeräte, Klopfen und Hämmern begleitet den Tag bis zum Abend und am Montag landen noch 4 Lehrer aus Caraveli im Haus. Es ist ein Taubenschlag. Unser Zimmer mit Bad - ein Luxus für Peru - bietet keinen Platz für 2 Personen mit 2 Koffern und 2 Rucksäcken, jedenfalls nicht, wenn man nicht aus dem Koffer leben will. Aber wohin mit dem Koffer? Also kein Erholungswert pur, nur mit Einschränkungen.
Natürlich können wir auf der Sonnenterrasse sitzen und lesen. Was aber dazu führt, dass Christiane sich doch mehr mit den Nasca-Linien beschäftigt und sich von ihrem Peru-Reiseführer überzeugen läßt, die Líneas mit dem Flieger zu sichten. (Was ich nicht vorgesehen hatte, weil sie das vorher nie wollte.) Was die Nascakultur angeht, habe ich mich oben schon einmal etwas zu erklären bemüht. Und mit welchen mathematischen Handgriffen die Nascaleute diese Liniengebilde vor 700 Jahren in die Landschaft gezaubert haben, dazu gibt es keine eindeutigen Erklärungen. (Wer mehr wissen möchte, dem beantwortet Wikipedia die ersten Fragen.) Diese Linien sind inzwischen zum Touristenmagneten geworden, schmücken die Fusswege und Mauern in Nasca Stadt und haben dafür gesorgt, daß inzwischen an die 10 Cessna-Kleinflugzeuge in Nasca stationiert sind, die mit ihren 6 Sitzen die Touris über die Landschaft fliegen.


Um ca 14:00 sitzen wir mit 3 anderen Passagieren (ua. 2 ostdeutschen Frauen) in der kleinen Cessna und heben ab.
Trotz der Hinweise des Piloten (jetzt rechts unten der Condor, jetzt links unten die Spirale) sehe ich nichts, kann ich keine Linien erkennen. Genieße die Landschaft von oben und hoffe, dass Christiane, die hinter mir sitzt, mehr sieht und mehr fotografieren kann. Ab und zu fotografiere ich in die Richtung, die der Pilot ansagt.







Nach einigen Minuten werden alle etwas stiller, meine Nachbarin hält sich an der Spucktüte fest, ich schwitze aus allen Poren und konzentriere mich auf die Richtung nach vorne. Lasse das Handy einfach fotografieren, beuge mich aber nicht extra nach unten, wenn der Pilot meint, ja links, ganz unten…Ob ich ohne die Nutzung der Plastiktüte wieder den Erdboden erreiche? (Ja, es gelingt.)Dann sammelt der Pilot die Handys ein für ein letztes Bild aus dem Cockpit. Bitte alle lächeln! Es gelingt nur Birgit, ein fröhliches Gesicht zu machen. Und Christiane lässt sich nicht anmerken, dass es auch ihr schlecht geht! Alle haben mit anderen Problemen zu kämpfen. Wieviel Passagieren in den anderen Cessnas wird es ähnlich gehen…

Mir hätte ein netter Rundflug über die wunderbare Landschaft gereicht ohne die vielen Schieflagen nach links oder rechts. Aber ein paar Fotos sind dann doch gelungen. Und - nach dem ersten Tee und der ersten vorsichtigen Nahrungsaufnahme normalisierte sich der Magen und auch der Kreislauf schnell wieder. Was das Fliegen angeht - ich bleibe lieber bei meinem Fahrrad!
Ein letzter gemeinsamer Tag in Nasca
Christiane entdeckt einen Zug zu archäologischen Orten und Geschichten. Wir nehmen den Pickup von Norbert und fahren mit Jesús zusammen zu den Aquädukten der Nasca-Kultur in Cantalloc und staunen über ihr Geschick, in 6- 7 Metern Tiefe eine Spirale aus Steinen anzulegen, unter deren Grund Wasser fließt. Ein Brunnen, der über die Spirale erreichbar ist und von der Sonne derart geschützt ist, dass er nicht austrocknen kann. Genial.



Danach fahren wir in die Wüste zur Grabstätte „Cahuachi“ der Priester und Schamanen des Nasca-Kultes. Eine Anlage mitten im Wüstengebiet, 20 km von Nasca. Ein spiritueller Ort, an dem ebengenannte hochrangige Führer und auch Tempeljungfrauen als Mumien einen letzten Ort gefunden haben. Kein Friedhof, sondern Räume und eine große Erdpyramide, die die Mumien barg und wo sie besucht und gefeiert wurden. Ein Totenkult, bei dem die Verstorbenen in der Gestalt der Mumien immer wieder in die Gemeinschaft der Lebenden geholt wurden. Man muss es sich ja nicht bildlich vorstellen, aber interessant scheint es schon, wie die Nascakultur mit den Toten gelebt hat.






Scheinbar wurden die Mumien oder Köpfe bei Umzügen oder Totentreffen mitgetragen an den in der Stirn befestigten Seilen. In den Gräbern hatten die Mumien Platz für sich und einige Schalen mit Opfergaben oder Geschenken.

Dann taucht in der Leere der Landschaft ein alter Mann auf, der wohl mit dieser Anlage seelisch verwachsen ist. Freimütig erklärt er uns Einzelheiten und zeigt uns den Grund der Nasca-Religion: Agua, das Wasser. Es mündet im Symbol der Spirale, die er dann vorstellt, indem er seine Hand in meine Hand legt. Diese Spirale hat auch den Frieden unter den Nascavölkern begründet. Sie waren vom Wasser abhängig. Das hat sie verbunden und davon abgehalten, miteinander Krieg zu führen. Man hat in der Nascakultur keine Kriegswerkzeuge gefunden. Eine tolle Geschichte.

In meiner Casa in Nasca leben wir gerade mit den beiden Handwerkern „Roosevelt“(links, 17 J.) und Manuel (2.v.l.) unter einem Dach. Wir kochen und essen am Abend zusammen und haben viel zusammen gelacht. Beide kommen aus Arequipa. Roosevelt will Koch werde. Er liebt Essen, Dekoration und schöne gestaltete Mahlzeiten, aber er muss für die Ausbildung zuvor Geld verdienen. Deshalb ist er mit Manuel „auf Montage“ hier. Er ist ein ganz ruhiger. Ich beziehe ihn immer wieder ins Gespräch ein, aber es kommt nicht viel. Bis ich die Europameisterschaft anspreche. Da schießt es aus ihm heraus: alle deutschen Nationalspieler kann er benennen, liebt den deutschen Fußball und seine Augen leuchten nach dem 5:1 Sieg über Schottland.
Manuel ist gut informiert bis gebildet, war schon in Madrid und hat einen Sohn, der in Lima studiert. Wenn er engagiert diskutiert, treten seinen Augen aus den Augenhöhlen ein bei Mr.Bean. Ich glaube, er mag uns und strahlt, wenn er uns zusammen auf der Terrasse sitzen sieht. „Wie romantisch“, sagt er dann und will ein Foto von uns machen. Er bringt uns am letzten Tag zum Bus und will kein Geld für den Taxidienst: „no, somos amigos!“

19./20.Juni 24. in Ica
In Ica haben wir eine gemütliche Kleinstadt mit einer schönen Plaza erwartet, treffen aber auf eine laute, unruhige Stadt mit verrücktem Straßenverkehr. Es ist laut und fast so schlimm wie in Lima. Als wir zu Fuß unterwegs sind, kommen wir nicht über die vierspurige Straße und müssen ein Taxi nehmen, um auf die andere Seite und dann zum Hotel zu kommen. Horrible.
Aber wir haben zwei schöne Ziele: 1. die Wüstenoase Huacachina mit dem kleinen(!) See. Und 2. die Weinprobe beim Weingut Tacama. Natürlich lassen wir die Innenstadt und den Plaza de Armas nicht außen vor.



Getrübt ist dieses Naturschauspiel durch die motorisierten Dünenbuggys, die mit 3-8 Leuten durch die Natur rasen…

Am nächsten Tag haben wir die Weinprobe ab Mittags terminiert. Wollen vormittags noch die City von Ica erkunden und fahren mit dem Taxi zum Plaza de Armas. Der Weg bis dahin ist zermürbend. Das Gehupe und die Dichte des Verkehrs ist wie gestern eine Herausforderung. Aber der Taxifahrer bleibt cool. Am Plaza angekommen erwartet uns außer einem netten Cafe eine Schulklasse, die sich vor dem düsteren Kopf von Maria Reich (,der ostdeutschen Entdeckerin der Nasca-Linien) für eine Klassenfoto platzieren muss. Ansonsten ist die Kirche am Plaza geschlossen und die beiden Türme drohen ineinanderzustürzen, gehalten von ein paar Holzpfählen. Später erfahre ich, dass Ica vor 7 Jahren einem Erdbeben zum Opfer gefallen ist. Seitdem hat die Stadt sich nicht mehr neu aufgebaut und erholt.

Die einzige (katholische) Kirche, die wegen eines Gottesdienstes gerade geöffnet und gepflegt begehbar ist, scheint die Kirche „Señor de Luren“ zu sein. Der „Señor“ ist der dunkelhäutige Herr am Kreuz, der hier mit diesem Aussehen eine besondere Verehrung genießt..


Weil noch Zeit bleibt, glauben wir einer Guide, die uns eine Stadttour verkaufen will, dass Ica noch mehr zu bieten hat, und fahren mit dem Taxi selbst zum empfohlenen Parque de Cachicha. Welch ein Reinfall. Wir treffen auf einen Mini-Unterhaltungspark mit Hexenfiguren, Nippesständen und einer Hexenkapelle (,in der man sogar für ein Foto Geld in einen Opferkasten werfen soll). Schulklassen werden angekarrt und tummeln sich. Nebenan ein Lokal mit Geisterfiguren. Der dort verkaufte Orgasmo-Cocktail verfehlte seine Wirkung, jedenfalls mussten wir nicht dringend ins Hotel zurückfahren… Armes Ica! Immerhin traute sich Christiane, mit mir in einem Mototaxi dorthinzufahren, und zwar in einem türlosen Modell…


Da konnten wir froh sein, dass wir im entlegenen Weingut Tacama ein Essen und eine Weinprobe gebucht hatten. Wir waren im Grünen- fast wie auf einem Gutshof im Münsterland - wie in einer anderen Welt, konnten ein wunderbares Essen und anschließend auch wunderbare Weine geniessen mit einem Sommeliers, der unseren Gaumen ganz neue Sinneserfahrungen eröffnete.





Und damit endet unser Besuch in Ica. Am Freitag geht der Bus 4,5 Stunden nach Lima, zur letzten Station vor Christianes Abreise am Dienstag, 25.6. um 17:30.
In Lima 21. - 25.6.24
Lima sollte der Abschluss unserer gemeinsamen Tour sein. Ohne Besuch in der Hauptstadt kann man Peru nicht verlassen. Aber es ist ein letzter Blick auf die Widersprüche und Gegensätze, die wir in diesem Land vorgefunden haben. Heute noch fuhr uns ein Taxi an einer Klinik vorbei, deren Zaun sicher 100 Fotos von Männer und Frauen „schmückte“. Der Taxifahrer wusste zu berichten, dass das alles Ärzte seien, die in der Covidpandemie gestorben seien, weil der Staat sich nicht intensiv um Impfstoffe bemüht habe…Leidenschaftlich schimpfte er auf Korruption und Unvermögen der politischen Führung. Und das haben wir nicht nur hier in Lima erlebt.
Trotzdem ist Lima das Zentrum des Landes mit dem Präsidentenpalast, der Kathedrale des Erzbischofs, dem Theater und der Oper, einem Harley Davidson Shop, vielen Taxen und einem völlig verrückten Verkehr (Der Taxifahrer belehrt uns, warum der Verkehr so ist: weil die Peruaner sich nicht an Regeln halten wollen…Der Führerschein wird einige Stunden auf einem Übungsplatz gemacht und kostet hier ca.1200 Soles= 300Euro. Danach kann man in Lima Auto fahren….)



In dieser Bischofskathedrale hat der spanische Eroberer Pizarro eine eigene Kapelle mit Grab, Stammbaum und Büste bekommen. Als ich den Guide frage, wie man einen Mörder derart verehren können, ist er hilflos und kann nicht antworten.
Limas Gegensätze
Am Samstag habe ich uns eingeladen bei Yoli und Anni, 2 Schwestern einer amerikanischen Ordensgründung, die ich auf Norberts Geburtstag kennengelernt habe. Sie machen Basis-Sozialarbeit in San Juan de Lurigancho, einem Armenstadtteil, in dem auch das Gefängnis liegt, in dem Norbert 10 Jahre gearbeitet hat. Sie machen in ihrem Haus Hausaufgabenhilfe (betreuen an die 35 Kids) , berichten stolz, dass sie schon 6 Kinder bis ins Studium begleitet haben, kümmern sich um Beratung von Müttern und Familien, selbst um die Grundernährung, weil viele nicht genug zum Leben haben. 2 äußerst empathische und hochherzliche Frauen. Als sie mit uns durch die Straßen gehen, hängt ständig ein Kind an ihrem Arm oder Frauen grüßen freundlich herüber. Sie sind die Herzen dieses Ortes.

Mit Anni (links, aus den USA) und Yoli (aus Peru) hatten wir einen wunderbaren Abend. Wir haben viel erzählt, aber auch viel gelacht. U.a. darüber, dass sie extra eine vegane Pizza gebacken hatten, weil sie von Norberts Geburtstag in Erinnerung hatten, dass ich Veganer sei (Dabei stand ich am Fleischgrill). Aber es gab auch intensive Gespräche über die Häufung von autistischen Diagnosen bei Kindern in Peru (und die geringen Behandlungsangebote seitens des Staates) und therapeutische Fragen (beide sind Therapeuten). Zum Schluß brachten sie uns zur Hauptstraße zurück, wohin sie das Taxi für uns bestellt hatten. Der Weg dorthin ging mit einem Mototaxi (oder Tucktuck, wie Christiane gerne sagte): und zwar sind wir alle vier + Fahrer in das Mototaxi gestiegen und zu fünft den Berg hinab gefahren. Wirklich unkompliziert und voller Spaß in den Backen!


Die Häuser, die sich die Leute hier an den Hang gebaut haben, würden einer Berechnung durch den Statiker nicht standhalten, erst recht nicht dem nächsten Erdbeben. Alles ist Eigenarbeit und nicht unbedingt sicher und stabil…

Der folgende Gegensatz ist bestimmt von den archäologischen Funden(unten im Bild) und dem planlosen Bau von Häusern durch die Bevölkerung. Die Häuser stehen auf dem Grund alter Tempelanlagen aus dem 1.Jahrtausend. Die Bevölkerung war schneller als die Bauplanung der Stadt, falls es die überhaupt gibt.


Gegensätzliche Stadtteile: Hochhäuser in Miraflores, dem Stadtteil der Besserverdienenden.

Miraflores bietet europäisches Flair. Auf der Suche nach einer Unterkunft entscheiden wir uns, in Barranco, dem Künstlerviertel der Bohemian von Lima, etwas zu buchen. Barranco lebt von schönen Cafés und pittoresker Gestaltung der Hauswände und Kneipen. Hier können wir bis in die Nacht schlendern. In den Armenvierteln wären wir abends vermutlich nicht sicher. In Barranco trifft sich die Oberschicht, besonders die jungen Leute, die hier abtanzen und an den Diskos Schlange stehen. Wir haben hier ein Appartement um den Preis, dass wir zentral sind aber auch jede Nacht bis 4 Uhr die Bässe der Diskomusik ertragen müssen.







Aber auch Barranco ist nicht perfekt: hinter der „Seufzerbrücke“, auf der sich gerne verliebte Pärchen treffen, gammelt eine Kirche vor sich hin, deren marodes Dach zum Nest für die Geier geworden ist.


Eine letzte Fahrt mit einem öffentlichen Bus und ein letzter Pisco sour. Dann gehen wir in den letzten gemeinsamen Abend und in die Anspannung des Abschieds und des bevorstehenden langen Fluges. Ein schönes Abschiedsgeschenk: auf der Straße in Barranco weist uns eine Frau auf ein kleines unscheinbares Restaurant hin und empfiehlt es überschwänglich. Flexibel wie wir sind, schauen wir hinein und werden verwöhnt von einem wunderbaren Raum, einem sensiblen, empathischen Service und einem ausgewählten Angebot! „MÉRITO“ - Geheimtipp in Barranco!


Wie die Umstellung von Touri-Urlaub auf Alltag und Arbeit für Christiane gelingen kann, werden die nächsten Tage zeigen. Es ist Abschied und Sprung ins kalte Wasser von Normalität und Regenwetter.
Wie ich mich wieder auf ganz schlichte Begegnungen und nicht touristische Orte einlassen kann, ist eine andere Herausforderung. Ein Teil in mir freut sich auf die Reduzierung von Eindrücken und die Begegnung mit dem Alltag Perus. Ein anderer Teil möchte das ganz normale deutsche Leben und die dortigen Beziehungen.
Abschied und das Danach.
Christiane ist gut in den Flieger gekommen. Mit Umwegen im wahrsten Sinn des Wortes: unser Uber-Taxi war von meinem Handy falsch gepolt worden und fuhr statt zum Flughafen in die entgegengesetzte Richtung. Da wir miteinander im Gespräch waren und der Taxifahrer recht still war, merkten wir das erst, als wir fast im völligen Süden von Lima waren. „Tenemos que cambiar“ - Umkehren! Und dann kamen wir halbwegs rechtzeitig zum Check In. Ein Tränchen zum Abschied war nicht zurückzuhalten und dann ein Taxi suchen für die Fahrt nach Miraflores, wo es den Abschied von Janni und Anni (wirklich!) zu „feiern“ galt. Zwei junge Frauen aus Osnabrück, die am Mittwoch zurückfliegen und ihr FSJ-Jahr in Atico (s.o.) auch mit einer Träne im Auge beenden.

Mit auf dem Foto neben Norbert und den Zweien ist Cecil (links), Miguelangel, (der Bewohner und Verwalter der Wohnung von Norbert in Lima) und rechts Anni, die Chris und ich ja letztens besucht hatten. Sie sind dabei, weil sie auch die beiden kennen, aber auch, weil wir alle zusammen (ohne die Mädchen) am Abend in ein Musical der besonderen Art gehen wollen. Und zwar veranstaltet das Gefängnis von Luricancho (in dem Norbert gearbeitet hat) jedes Jahr in Zusammenarbeit mit professionellen Theaterleuten und der Universität ein Musical. Es wird am Abend in einer Aula einer privaten Universität Lima aufgeführt und hat das Leben und die Probleme der Gefangenen zum Thema. Das anschließende Video zeigt, wie professionell das Ganze abgeht und was die Gefangenen an Gesangstalenten, Tanztalenten und Theaterbegabungen mitbringen. Es sind wirklich nur Gefangene auf der Bühne! Die „Penales“ haben jeder ihre eigene Geschichte vom Drogendeal bis zum Mord ist alles dabei. Daher kommen sie in Handschellen und mit 10 Personen Bewachung in die Aula (ich habe keine Handschellen, nur die „Wärter“ gesehen) und werden auch in Handschellen wieder in ihre Zellen gebracht. Kann man sich nicht vorstellen bei der Freiheit, mit der sie sich auf der Bühne bewegen. Die Standing Ovations anschließend waren mas emocionante, weil die Familien, Frauen, Kinder der Gefangenen da waren und applaudierten. Vorn im Video sieht man ein Plakat, auf dem stand: „Wir sind stolz auf dich, Guermo, Du bist der beste. Ich liebe dich, Papa.“ Natürlich auf spanisch. Die Tränen, die auf der Bühne liefen, übertrugen sich auf die Zuschauer und Freunde. Norbert sagte, jetzt hast du das „Penal“ / Gefängnis kennengelernt. Ich habe zwar vom Text nur wenig verstanden (zumal der Knast auch eine eigene Sprache hat) und bin auch zwischendurch eingenickt, aber die Stimmung des Abschlusses war extrem ergreifend.
In Norberts Wohnung lassen wir den Abend zu dritt (mit Miguelangel) ausklingen und am nächsten Morgen geht es mit dem Taxi zur Collectivo- und Busstation, um eine Fahrgelegenheit nach Ica und weiter nach Nasca zu finden. Miguelangel hatte mir zwar angedeutet, dass er mir noch Lima zeigen könne, aber meine Kräfte waren erschöpft. Zumal Lima bedeutet: Taxifahren durch verrückten Verkehr und das stundenlang, ich war gestern fast 4 Stunden im Taxi durch den schiebenden, dichten Verkehr unterwegs. Und selbst mit Bus oder Tren dürfte es nicht entspannter sein. Wie Norbert dann sagte: No le gusta Lima - ihm gefällt Lima nicht. Stimmt, vielleicht später, wenn wieder Kräfte vorhanden sind.
Ich finde recht schnell ein Taxi, das sich mit 6 Personen auf den Weg macht. In diesen sogenannten Collectivos zahlt jeder seinen Obulus. Aber es gibt keinen Kontakt untereinander. Niemand redet. Selbst die, die sich kennen, bleiben stumm. Später habe ich die Frau angesprochen, die mit mir von Lima weiter nach Ica gefahren ist. Das wurde etwas lebendiger. Aber der Fahrer: Irgendwann nach 2 Stunden bleibt er stehen, steigt aus und stellt fest, dass der Hinterreifen platt ist. Der Wagenheber war für den SUV zu klein. So musste er am Straßenrand ein paar Steine suchen zum Unterlegen. Nebenan rasten die LKWs die Panamericana entlang an uns vorbei. Und als er das Notrad angeschraubt hatte, hatte ich kein gutes Gefühl. Reifenprofil ist in Peru ein Fremdwort… Aber wir sind - sogar mit 100 km/h - heil in ICA angekommen.

Mittwoch, 26.Juni 24. Wieder in Nasca
Bei allem Baulärm und der Musikbeschallung aus dem Stadion nebenan (irgendwelche Evangelikalen singen von morgens bis nachts um 23:00 und schwören ihre Fans auf Jesus ein!) bin ich wieder in meinen vier Wänden. Gehe zu Abel, meinem Frisör in Nasca, der mich erkennt und freundlich mit Handschlag begrüßt. Koche mit Jesus oder mit den beiden Arbeitern, die hier eine Woche wohnen und kann mich ansonsten nur um mich selber kümmern. Das tue ich und lasse die Tour mit Christiane Revue passieren, indem ich am Ipad aus den Bildern und Texten des Blog ein Fotobuch zusammenstelle. Dank digitaler Technik ist das erste schon zu Christiane unterwegs. Das läßt mich runterkommen und gibt mir Raum, um offen zu werden für das nächste Projekt, das nächste Woche in Coracora starten soll. 5 - 7 Stunden Fahrtweg von hier. Aber das ist erst nächste Woche.



Außerdem erwarten mich eine schöne Charango und eine doppelreihige Panflöte, die Norbert in Cuzco von einem bekannten Instrumentenbauer aus den Bergen freundlicherweise für mich erstanden hat. Die Charango hat einen satten, sanften Klang. und die ersten Flötentöne habe ich auch schon herausbekommen.
Die nächste Erfahrung war das Erdbeben in der Nacht zum Donnerstag. Gegen 0:30 schaukelte mein Bett und das ganze Zimmer gefühlt mehrere Minuten lang. Das ganze Haus war auf den Beinen. Alle trafen sich . Draußen fuhren Ambulanzwagen vorbei. Alle Hunde in Nasca kläfften um die Wette. Jesús war völlig aufgelöst, weil er seine Mutter zuhause nicht erreichte. Aber nach einer halben Stunde konnten wir alle wieder ins Bett. (Außer Jesús, den hatte es dies mal seelisch stark erwischt). Aber außer, dass alle Schranktüren in den Küchen aufgegangen waren, war nichts beschädigt. Auch nicht an den frisch betonierten Trägern auf der Baustelle.

Und um es gleich nachzuschieben. In der Nacht von Freitag auf Samstag gab es um 2:00 ein Nachbeben, aber viel kürzer und nur mit einer Stärke von 4-5. Peru hat seine Vulkane und seine Erdplatten, die sich häufiger bewegen.

Samstag, 29.Juni 24. Deutschland - Dänemark
Manuel, der mit seinem Helfer Roosevelt hier arbeitet und wohnt, habe ich oben am 18.6. schon vorgestellt. Roosevelt hatte sich geoutet mit seiner Begeisterung für die deutsche Nationalmannschaft (Er kennt jeden Spieler mit Namen und Vereinszugehörigkeit!). Er lebt auf, wenn wir über Fußball reden. So habe ich ihm vorgeschlagen, zusammen das Deutschlandspiel zu schauen. Was ein Problem ist, weil es hier um 14:00 mitten in der Arbeitszeit liegt. Aber weil sein Chef Manuel mir und Christiane irgendwie zugeneigt ist, hat er zugestimmt und um 14:00 saßen beide frisch geduscht und Manuel im weißen Hemd vor dem TV. Er ist zwar kurze Zeit später eingeschlafen und saß nach dem Spiel schnell wieder auf der Baustelle (er sitzt auf dem Gerüst und schweißt!), aber es war ein gemeinsames Erlebnis. Jesús hatte einen Bottich Popcorn gemacht und so haben wir das regenreiche Duell von Peru aus beobachtet.

Mit diesem Abendrot von unserer Dachterrasse verabschiede ich mich für heute.


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Kommentare
Ich hoffe, dass Du mir auf der doppelreihigen Panflöte war vorspielen kannst.
Ich bin zurzeit tierisch erkältet und habe für übermorgen Karten für ein Klavierkonzert in Mülheim. Hoffentlich geht das gut.
Dir alles Gute!!!! LG Dirk
Ein schönes Abschiedsbild vom Juni.
Und mit Jesus möchte ich auch mal kochen.
Lieber Hartwig, wir waren ein paar Tage "offline" und mit dem Camper unterwegs, auch eine wunderbare Erfahrung.
Jetzt wünschen wir Dir ein interessantes wieder Eingetauchtsein in die ländliche, reduzierte Lebenswelt Perus und weitere spannende Erlebnisse.
Und Dir, liebe Christiane, die Du ja sicher täglich fleißig liest, was Hartwig veröffentlicht, wünschen wir ein gutes wieder "Angekommensein" in der Essener Lebenswelt.
Vielleicht sehen wir uns demnächst?
Alles Liebe aus dem Sauerland!
Na, da bin ich auch gespannt, wie Du hier wieder zurecht kommst. Hartwig, das wird schon.
Es waren wieder beeindruckende Bilder.
Hallo Hartwig.
Danke Dir und Euch für die vielen Eindrücke - nun aus dem städtischeren Peru, dessen Dynamik mir noch unheimlicher und unorganisierter erschien als das ländliche Peru.
Dir weiter und wieder eine gute Zeit, wiewohl ich verstehen kann, dass auch Gedanken nach Deinem bekannten Leben da sind ;-)
Schöne Fotos! Schöne Geschichten! Dass Maria Reich ein Ossi ist, habe ich ihr sofort angesehen. Das beste Foto heute ist die Oase.
Diese Spirale, die Eure beiden Hände bilden.... wunderbar... so sieht Frieden aus!!!
Alles Liebe von uns aus dem Sauerland!
Gigantische Landschaften, gigantische Landschaften und nochmal gigantische Landschaften. Und das Frauenkloster Santa Catalina ist völlig irre. Man bekommt bei den Bildern so eine Sehnsucht. Aber man sieht ja nur die Bilder und spürt nicht die, damit verbundenen, Anstrengungen.
Hallo Ihr Lieben, wir sind ganz benommen von der Vielfalt Eurer Bilder, Eindrücke und Erlebnisse.
Ich, Doro, bin ja steinaffin. Habe ich vielleicht in einer früheren Inkarnation geholfen, Steine telekinetisch zu bewegen und zu bearbeiten?
Ich, Hans, bin von der Natur sehr beeindruckt und auch von der Musik, besonders, wenn es keine Show ist.
Wir wünschen Euch gute Besserung bei der leichten Bronchitis und Erholung von den Strapazen der Höhe sowie viel Freude bei den weiteren Unternehmungen.
Alles Liebe aus dem Sauerland
Die Spanier haben doch nicht alles zerstört. Im Studium hat mir ein Dozent gesagt, dass auch andere Religionen religiöse Wahrheiten besitzen. Daran musste ich nach Deiner Beschreibung denken. Dieser Synkretismus ist sympathisch. Und Deine Beschreibung ist sehr gut lesbar. Und die Landschaftsaufnahmen sind beeindruckend, wie immer. Und Christiane sieht schon sehr peruanisch aus, soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann. LG